Was passiert eigentlich abseits des Physiologie Buches in unserem Körper bei Arthroseschmerzen beispielsweise? Eine kleine Kurzgeschichte für ein Schmunzeln zwischendurch und ein Mutmacher für alle Betroffenen.
„Fangt doch endlich an!“, rief Ischiadicus gereizt in die aufgebrachte Runde.
„Ja, erzähl uns endlich, wieso wir hier sind Gehirn. Ich kann meine Arbeit nicht ewig einstellen.“, grummelte der Magen. „Ich auch nicht!“, sagte die Leber giftig, während sie einen bösen Blick auf die entspannte Niere warf, die unbedarft bemerkte: „Meine Schwester springt heute für mich ein.“
„Nun gut.“, ertönte eine laute, bestimmte Stimme, während im gleichen Moment ein schmaler, roter Strich, der an beiden Ende ins weißliche auslief durch die Tür hereinkam und sich mit einem starken Rumps neben den dicken, gelben Ischiadicus fallen ließ.
„Iliopsoas, schön dich zu sehen.“, sagte das Gehirn, bevor es sich räusperte und zu allen gewandt zu sprechen begann: „Ich freue mich, dass ihr alle kommen konntet. Ein wichtiger Teil unserer Familie fehlt noch, aber es wird sicherlich noch kommen. Ich habe diese Versammlung einberufen, weil wir hier oben in der Hauptzentrale allmählich ein großes Problem haben. Ich denke, ihr wisst alle, wovon ich rede. Wir haben seit längerer Zeit einen Störenfried unter uns. Ein nicht gern gesehener Gast, der sich immer weiter ausbreitet.“ Die Leber und die Niere tauschten fragende Blicke aus, während der Ischiadicus, der Iliopsoas und das Femur, das sich zittrig an einem Stock abstützte, zustimmend nickten.
„Es geht um unser aller Freund, das Becken, insbesondere um unsere einzige Amphiarthrose, das Iliosakralgelenk.“, fügte das Gehirn erklärend hinzu, „Die Schmerzmelder stehen kaum noch still hier oben und ich spüre, wie sehr euch das alle quält.“
„Ja! Es wird allmählich kritisch! Ich kann mich kaum mehr retten vor Beschwerdemeldungen. Alle Nerven in meiner Region sind überlastet, weil dieser abscheuliche Schmerz ihnen unentwegt Signale vermittelt.“, sagte der Ischiadicus aufbrausend. „Ich habe auch von meinen Freunden gehört, dass es immer schwerer wird, die Last zu tragen.“, bemerkte der zu spät gekommene Iliopsoas, „Gerade wir Muskeln und die Knochen“, er nickte zu Femur hinüber, „wir waren immer ein gutes Team. Doch die Arbeit wird anstrengend und wir sind nicht mehr die jüngsten. Der Schmerz schwächt uns noch zusätzlich!“
Zustimmend nickte das Femur und begann mit zittriger Stimme zu sprechen: „Wir werden immer instabiler. Mein Bruder ist vor Jahren schon von uns gegangen, das wisst ihr ja. Ich halte noch durch, aber ohne die Hilfe von Quadriceps und Biceps und den vielen anderen, hätte ich schon längst aufgeben müssen. Doch dem Becken geht es nicht viel besser. Es kämpft und kämpft, doch der Schmerz ist tückisch! Er sucht sich immer die schwächsten Glieder und breitet sich dann auf die stärkeren aus. Ich kann mich oft nicht mehr wehren.“, fügte es traurig hinzu.
Das Gehirn nickte verständnisvoll und zugleich bedrückt, während es hinüber zu Magen, Leber und Niere sah. „Wie geht es euch?“
„Nun“, brummte der Magen mit tiefer Stimme, „es ist nicht leicht sich von der Familie der Analgetika nicht provozieren zu lassen. Unsere Abneigungen gegeneinander sind groß. Aber mir geht es gut, ich halte noch durch. Pantopraz kommt öfter vorbei und greift mir unter die Arme, das tut mir gut.“ „Meine Schwester und ich kommen auch noch klar!“, sagte die Niere, die ihre entspannte Haltung mittlerweile verloren hatte. „Auch ich werde noch fertig mit den Giften.“, sagte die Leber entschlossen, „meine Kapazität ist noch nicht ausgeschöpft.“ „Wenigstens das ist erfreulich zu hören.“, sagte das Gehirn, als die Tür aufging und etwas dickes Rotes schnaufend herein kam.
„Herz! Da bist du ja endlich!“, begrüßte das Gehirn es freundlich und wies ihm einen Platz direkt neben sich. „War ja klar, dass das Herz mal wieder zu spät kommt.“, zischte die Leber dem Magen zu, der zustimmend grummelte, „ja, hatte wahrscheinlich wieder wichtigere Aufgaben. Genau wie diese eingebildeten Lungen.“ „Ruhe!“, befahl das Gehirn barsch. Erst als sich das Herz gesetzt und beruhigt hatte, fielen den anderen die beginnenden schwarzen Flecken auf, die die dicken Muskelstränge des Herzens befleckten.
„Ihr seht es vielleicht.“, begann das Herz mit piepsiger, trauriger Stimme, „der Schmerz befällt auch mich immer mehr.“, es deutete auf die schwarzen Flecken an seinem Körper, „es ist so schwierig, ihm die Tür zu versperren. Er schafft es immer wieder einzudringen. Ich kenne ihn ja schon länger, er war schon oft in diesem Leben mein Gast. Auch immer ein guter. Nie ist er ohne ein Geschenk gekommen, das ich behalten sollte. Und doch ist er immer wieder aufgebrochen und gegangen. In letzter Zeit werden seine Geschenke allerdings immer größer und er geht nicht mehr. Er will nicht mehr aufbrechen. Ich versuche ihn durch Glück von mir fernzuhalten, doch ich schaffe es nicht immer. Ich bin sehr dankbar, wenn mir das Gehirn für einige Stunden am Tag die Arbeit abnimmt und nicht mehr alle Konzentration auf mir liegt. Doch das geht auch nicht immer.“ Betreten sahen alle auf den Boden, bis das Gehirn nochmals das Wort ergriff: „Wir alle sind betroffen von dem Eindringling, von dem wir wissen, dass wir ihn nie mehr gänzlich loswerden. Dennoch liegt es an uns, einen Plan zu schmieden, wie wir ihn eindämmen können.“, hoffnungsvoll sah das Gehirn in die verzweifelten Gesichter vor sich.
„Aber wir geben doch schon alles.“, sagte das Femur brüchig, während sich der Iliopsoas neben ihm verkrampfte. „Es ist kaum möglich die Leitungsbahnen zu stoppen.“, bemerkte der Ischiadicus, „dafür bräuchten wir Hilfe von außen!“ Eine wilde Diskussion war entfacht, die nicht nur Zusammenhalt sondern auch Zwiespalt hervorrief. Somit blieben schlussendlich doch alle Blicke auf dem Herzen haften, das als einziges im Stande war, dadurch, dass es die Macht der Gefühle besaß, den Nerven eine Ruhepause zu gönnen und die Übrigen ebenso von dem Übeltäter zu entlasten. Doch das Herz sah sich betrübt um.
„Aber, ich weiß nicht, wie lange ich es noch schaffe. Ich bräuchte Unterstützung. Oder eine neue Glückswolke.“ „Eine Glückswolke?“, fragte die Leber mürrisch, die den ganzen Tag schuftete und von der Gefühlsduselei des Herzens nicht viel hielt. „Ja, eine Glückswolke entsteht immer dann, wenn ein neues Ziel erreicht wurde oder ein schönes Ereignis ist oder einfach etwas Wundervolles passiert. In diesen Momenten kommt eine neue, frisch aufgeladene Glückswolke, die ich für härtere Zeiten brauche, um den Schmerz so gut es geht fernzuhalten.“, erklärte das Herz.