Immer wieder wollen Kunden in der Apotheke vordatierte Rezepte einlösen. Für Ärzte und Patienten mag das Vordatieren bequem sein. Bei bestimmten Medikamenten wie dem Akne-Mittel Isotretinoin ist das aber ein hochriskantes Unterfangen und bringt Apotheker in die Bredouille.
Die Auszubildende drückt mir zwei Rezepte in die Hand, die sie von einer Patientin bekommen hat. Die Rezepte sind identisch. Ein Mittel gegen Akne: Isotretinoin Tabletten 10 mg 30 Stück.
Einziger Unterschied: Auf dem einen Rezept steht ein Datum von Anfang März und auf dem anderen eines von gestern.
Kundin mit einer leeren Hand
Ich nehme mir eine Packung aus der Schublade. Die Patientin empfängt mich schon zerknirscht mit den Worten: „Das sind aber zwei Packungen!“
„Ja, aber für dieses Medikament besteht eine Limitation. Ich darf das bis maximal sieben Tage nach Ausstellung des Rezeptes abgeben. Es ist bei diesen Tabletten ja auch ganz wichtig, dass Sie nicht schwanger sind oder werden, wenn Sie die nehmen. Deshalb braucht es regelmäßige Kontrollen beim verordnenden Arzt – der stellt dann auch ein neues Rezept aus.“
So lautet es in der Packungsbeilage:
Verschreibungs- und AbgabeeinschränkungenVerschreibungen für Isotretinoin müssen für Frauen im gebärfähigen Alter auf einen Behandlungszeitraum von 30 Tagen limitiert sein, und eine Fortsetzung der Therapie erfordert eine erneute Verschreibung. Idealerweise sollten der Schwangerschaftstest, die Ausstellung des Rezeptes und die Abgabe von Isotretinoin am selben Tag erfolgen. Die Abgabe von Isotretinoin muss innerhalb von maximal 7 Tagen nach der Ausstellung des Rezeptes erfolgen.
Die Patientin argumentiert: „Ja, ich war halt in den Ferien. Ich habe die Rezepte per Post bekommen und bin erst jetzt dazu gekommen, die einzulösen. Dann nehme ich das alte Rezept halt wieder mit und verlange ein neues vom Arzt.“
Springender Punkt: Wurde kontrolliert?
Sie hat die beiden Rezepte ja offenbar gleichzeitig per Post bekommen. Der Arzt hat also mindestens ein Rezept vordatiert … Und ich bin nicht ganz sicher, ob er die Kontrolluntersuchungen auch immer macht – oder einfach auf telefonische Anfrage das Rezept ausstellt. Die Fachinfo dazu ist nicht ganz so eindeutig (siehe unten).
Zum Thema Kontrolluntersuchungen steht folgendes in der Fachinformation:
Kontrolluntersuchungen müssen in Intervallen von 28 Tagen festgesetzt werden. Unter Berücksichtigung der sexuellen Aktivität der Patientin und der Menstruationsanamnese (abnormale Menstruationen, Ausfall von Perioden, Amenorrhö) in der näheren Vergangenheit, muss festgestellt werden, ob regelmässige monatliche Schwangerschaftstests unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt werden müssen. Wo es notwendig erscheint, muss bei dem Untersuchungstermin zur Verschreibung oder in den 3 Tagen vor dem Besuch beim verschreibenden Arzt ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden. Mir drängt sich die Frage auf: Hätte ich auch das Isotretinoin auf das neuere Rezept nicht abgeben dürfen, da es ja aufgrund der Vordatierung seit der effektiven Ausstellung länger her ist?
Hmmm. Gerade beim Isotretinoin (das ist Roaccutan, Curakne, Tretinac und andere Generika) bin ich unsicher, ob den meisten Ärzten die Einschränkungen der Verschreibung hier bewusst sind – und das ist ein Medikament, wo immer wieder Probleme auftreten.