Kopierte Medikamente machen vor öffentlichen Apotheken nicht Halt. Umso gefährlicher ist, dass Pharmazeuten kaum noch Identitätsprüfungen durchführen. Eine Forscherin berichtet jetzt von neuen Möglichkeiten, Schnelltests durchzuführen.
Immer wieder gelingen dem Zoll spektakuläre Fahndungserfolge. Allein in 2015 hatten Ermittlungsbehörden 3,9 Millionen gefälschte Tabletten beschlagnahmt – das waren viermal so viele wie im Vorjahr. Auch bei der länderübergreifenden Aktion „Pangea IX“ Mitte 2016 legten Beamte ein besonderes Augenmerk auf Briefe, Pakete und Päckchen mit Arzneimitteln. Dabei zogen sie in nur einer Woche 564 ausländische Sendungen mit 50.915 Pharmaka aus dem Verkehr. Es handelte sich nicht nur um Lifestyle-Arzneimittel, sondern auch um Virustatika, Antibiotika oder Kontrazeptiva. „Pangea IX“ zeigte aber auch, wie viele Pharmaka möglicherweise übersehen werden. Die Gefahr, dass Präparate in der legalen Lieferkette auftauchen, ist groß. Quelle: Interpol
Hinzu kommt, dass etliche Methoden der Analytik laut Arzneibuch für den Apothekenbetrieb völlig untauglich sind. Apotheker erinnern sich noch mit Schrecken an diverse Titrationen aus ihrem Studium. Die novellierte Apothekenbetriebsordnung verpflichtet Inhaber nicht mehr, bestimmte Reagenzien oder Glasgeräte im Labor zu haben. Und instrumentelle Methoden wie die NIR-Spektroskopie sind für kleinere Betriebe wirtschaftlich nicht rentabel. Doch Marya Lieberman, Forscherin an der University of Notre Dame, hatte eine Idee. Die Pharmazeutin erinnerte sich an etliche Farbreaktionen zur qualitativen Analytik, die sie während ihrer Unizeit selbst ausprobiert hatte. Ihr Ziel war, ein praxistaugliches, preisgünstiges System zu schaffen, das auch unter widrigen Umweltbedingungen funktioniert. Da kam ihr handelsübliches Chromatographiepapier nur allzu gelegen. Per Tintenstrahldrucker brachte Lieberman hydrophobe Kohlenwasserstoffe auf, um einzelne Bahnen voneinander abzutrennen. Farbmarken und QR-Codes kamen mit hinzu. Anschließend setzte die Forscherin ihren Pipettierroboter ein. Das Gerät trug gelöste Chemikalien auf. Durch die Kombination beider Verfahren produzierte Lieberman insgesamt 15.000 Testkarten, sogenannte Paper Analytical Devices (PADs). Die kleinen Kärtchen werden nach dem Trocknen in Kunststoff eingeschweißt und halten einige Monate. Die Anwendung sei sogar für Laien möglich, sagt Marya Lieberman. User öffnen eine Kapsel oder zerkleinern eine Tablette, lösen den Arzneistoff und tragen ihn auf. Ganz klassisch wird das Chromatographieblatt bis zur Marke in Wasser getaucht und entwickelt. Nach fünf Minuten liegen Ergebnisse zur Identität des Arzneistoffs vor. Bis zu 60 Substanzen lassen sich momentan nachweisen, inklusive möglicher Verunreinigungen. Bei der Auswertung unterstützen Wissenschaftler aus Notre Dame, eine E-Mail genügt. Sie denken zwar primär an Apotheken in Entwicklungsländern. Als Schnelltest hat das System aber auch bei uns seine Existenzberechtigung. Damit sind noch längst nicht alle Probleme vom Tisch. Es existiert eine Liste mit Ausnahmen für verschreibungspflichtige Arzneimittel, welche die neuen Sicherheitsmerkmale nicht tragen müssen. Zudem gibt es eine Liste mit Ausnahmen. Das schafft weitere Möglichkeiten, wie Plagiate in legale Lieferketten gelangen. Die Apothekerschaft wird sich mittelfristig die Frage stellen müssen, ob Betriebsstätten ganz ohne Analytik auskommen.