BEST OF BLOGS | Nachts ist jeder im Krankenhaus schlecht gelaunt. Alle sind müde und man tut gut daran, sich gegenseitig in Ruhe zu lassen. Und trotzdem gibt es da dieses bestimmte Patientenklientel, das nur mitten in der Nacht zu uns kommt.
Meistens kommen sie nachts. Zwischen 2 und 4 Uhr, die beste aller besten Zeiten. In diesen zwei Stunden ist jede Schwester, jeder Arzt, jeder Sanitäter, jeder MTRA und jede Aufnahmeschwester schlecht gelaunt. Sie alle sind müde. Egal, wie lange der Dienst schon geht. Natürlich gibt es Nachteulen, die sich hier besonders wohl fühlen. Aber die meisten meiner Mitmenschen spricht man um diese Uhrzeit besser nicht von der Seite an.
Ein bestimmtes Patientenklientel hat jedoch eine spezielle Vorliebe für diese Uhrzeit. Fast jede Nacht ist es dasselbe Spiel. Der Rettungsdienst steigt in seinen Wagen, fährt mit viel Tatütata in eine Wohnung, fordert häufig einen Notarzt mit viel Schmerzmittel in der Tasche nach und dann … tada … stehen sie nachts vor dir.
„Wir bringen eine Lumbago.“ Rückenschmerz seit vielen Jahren, chronischer Schmerzpatient, akute Exazerbation. Häufig ist diese chronische Lumbago um 3 Uhr nachts vergessellschaftet mit Depressionen, Adipositas, Bluthochdruck, Einsamkeit und sozialer Ausgrenzung. Eine neurologische Untersuchung ist meistens nicht besonders aussagekräftig, da die Mitarbeit des Patienten oft zu Wünschen übrig lässt. Die radiologischen Befunde bringen keine außergewöhnlichen Diagnosen hervor. Übrig bleibt einem als behandelnder Arzt um diese Uhrzeit immer nur die stationäre Aufnahme.
Nachts ist es am schlimmsten, weil es wirklich am schlimmsten ist. Angst, Panik, Schmerz und Selbstmitleid haben eine beträchtliche Wirkung um diese Uhrzeit. Tagsüber kommt dieses Patientenklientel sehr ungern. Scham, Misstrauen, soziale Phobien und Angst vor Zurückweisung halten sie davon ab. Aber nachts um 3? Da geht es noch am ehesten.
Außerdem bestätigt sich um diese Uhrzeit auch die selbsterfüllende Annahme, dass alle Menschen unfreundlich sind.