Das in Iberogast enthaltene Schöllkraut steht seit Jahren unter Verdacht, leberschädigend zu sein. In der Schweiz wurden Warnhinweise auf Nebenwirkungen angepasst. Ich habe bei Bayer nachgefragt, warum sie sich weigern, die Hinweise auch in Deutschland aufzunehmen.
Es gehört zu den Dingen, die ich nicht verstehen kann. Die Iberogast-Tropfen sind so lange wie nur wenige andere Arzneimittel auf dem Markt. Sie werden auch viel gekauft, weil sie wirklich gut funktionieren und üblicherweise auch perfekt vertragen werden. Nun ist in den Tropfen Schöllkraut enthalten, das offenbar bei einigen wenigen Menschen zu schwerwiegenden Nebenwirkungen für die Leber führte. Die Firma Bayer, die das Iberogast vom ursprünglichen Hersteller Steigerwald aufgekauft hat, weigert sich nun diese Nebenwirkungen in den Beipackzettel aufzunehmen. Würden sie es tun, so wären diese Tropfen wohl nicht mehr bereits ab 3 Jahren zugelassen und auch bei Schwangerschaft oder der Stillzeit wäre künftig ein Warnhinweis zu lesen.
Schöllkraut-Präparate: Zwist seit Jahren
Bayer befürchtete wohl einen Umsatzrückgang und hat dagegen geklagt – wohlgemerkt nur in Deutschland – in der Schweiz steht der Hinweis inzwischen bei den unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) aufgeführt. Seit etwa 10 Jahren ist das ganze Verfahren um schöllkrauthaltige Präparate schon in der Schwebe, was sogar zu einer Kleinen Anfrage an das Bundesgesundheitsministerium durch Frau Kordula Schulz-Asche führte. Passiert ist seitdem quasi gar nichts – weder wurde die Rezeptur geändert noch wurde ein Warnhinweis verfasst.
In der Schweizer Fachinformation findet sich dazu folgender Text:
„Schöllkraut-Präparate wurden in sehr seltenen Fällen mit Leberschädigungen in Verbindung gebracht. Bei Patienten mit aktuell bestehender oder anamnestisch bekannter Lebererkrankung sowie bei Patienten, die mit anderen Arzneimitteln behandelt werden, welche die Leber oder die Leberwerte beeinträchtigen können, muss der Nutzen des Arzneimittels sorgfältig gegen das Risiko von akutem Leberversagen oder einer nachteiligen Wirkung auf die Leberfunktionswerte abgewogen werden. (...) Die Patienten sind angewiesen, die Behandlung abzusetzen und sich an ihren Arzt zu wenden, wenn es bei ihnen zu Anzeichen oder Symptomen einer Leberschädigung (allgemeine Müdigkeit, erhöhte Transaminasen- und/oder Bilirubinwerte, Ikterus, Hepatitis) kommt.“
Warum so sorglos?
Ich verstehe den Grund für die Zurückhaltung in Deutschland nicht! Müsste Bayer nicht Angst vor Klagen haben, falls doch jemandem etwas zustößt? Normalerweise wird doch aus diesem Grund jeder Pups in einen Beipackzettel aufgenommen. Kinder, Schwangere und Stillende wären außerdem sowieso nicht unbedingt das typische Zielpublikum, wenn ich meine eigenen Kundenempfehlungen Revue passieren lasse – schon aufgrund des unangenehmen Geschmacks und des Alkoholgehaltes, der die meisten Mütter ohnehin abschreckt. Das Schöllkraut steht außerdem im Verdacht Wehen auslösen zu können. Pfefferminze sorgt für einen Rückgang der Milchproduktion.
Für ein anderes Zielpublikum ist Iberogast aber Mittel der Wahl und nicht zu ersetzen, daher hoffe ich, dass an der Rezeptur an sich nicht herumgebastelt wird. Aber vielleicht fürchtet sich Bayer auch genau davor? Hat Angst, dass ein Warnhinweis nicht ausreichen wird und ein Nachzulassungsverfahren droht, sobald „zugegeben“ wurde, dass an der Rezeptur irgendetwas problematisch ist? Das wäre zumindest der einzige Grund, den ich mir vorstellen kann, sich derart zu sträuben.
Endgültige Bewertung steht noch aus
So eine Aufnahme von UAW interessiert die meisten Anwender ohnehin nicht die Bohne. Ich denke dem Hauptteil der Patienten ist klar, dass wirksame Medikamente auch Nebenwirkungen hervorrufen können. Eine Verunsicherung bezüglich Iberogst gab es bei der Kundschaft in unserer Apotheke bisher trotz der Berichterstattung jedenfalls nicht. Und auch unsere Empfehlung hat sich nicht verändert, wenn wir auch vermehrt darauf achten, dass die Kunden das Medikament nicht zu oft hintereinander nutzen. Aber wenn dauerhaft Symptome bestehen, die den Einsatz von Iberogast rechtfertigen, dann sollten die Patienten ohnehin bei einem Arzt vorstellig werden. Die Firma Bayer Vital richtete mir auf meine Frage, warum in der Schweiz Warnhinweise erscheinen und in Deutschland nicht, folgendes aus:
„(...) die regulatorischen Vorgänge zu Arzneimitteln sind in den europäischen Ländern unterschiedlich. In Deutschland ist es möglich durch einen Widerspruch eine aufschiebende Wirkung zu erzielen, so dass die Aufnahme von Warnhinweisen derzeit nicht erforderlich ist. Die jüngst erfolgte Anpassung der Arzneimittelinformation in der Schweiz ist vorübergehend auf Antrag der Schweizer Behörden im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes erfolgt. Eine endgültige Bewertung zu Iberogast steht noch aus und erfolgt in einem weiteren Verfahren. Die Gesetzgebung verlangt dennoch die Umsetzung der Warnhinweise.“