Sepsis oder nicht Sepsis, das ist eine Definitionsfrage, mit der ich mich berufsbedingt häufig beschäftige. Sie führt zwischen Arzt und Kläger nach der Behandlung oft zu Diskussionen. Ob es sich nun um eine Sepsis gehandelt hat oder nicht, lässt sich in der Regel leicht feststellen.
Eine Sepsis ist auch eine Sepsis, wenn keine Blutkulturen vorliegen. Herrlich ist es, den Schrift- oder E-Mailverkehr mit der Akte zu bekommen, wenn am Ende sich doch jemand dazu durchringt, den Fall zu klagen.
Ich bekomme ja meist nur die Spitze des Eisbergs mit, deshalb ist es immer sehr erfrischend, die wütenden, teils anmaßenden und manchmal nur so vor Halbwissen strotzenden Mails zu lesen, die da zwischen den Beteiligten so herumfliegen.
Mein Lieblingsthema mittlerweile: die gute alte Sepsis.
Die Kriterien sind bekannt und alt, und werden im Übrigen gerade überdacht. Und ich gehe davon aus, dass ein gescheiter Mediziner, der einen septischen Patienten vor sich hat, auch erkennt, dass dieser tatsächlich eine Sepsis hat bzw. zumindest eine haben könnte.
Da gibt es ja so einige Merkmale, die sogar ich herausfinden könnte: erhöhte Atemfrequenz, erhöhter Puls, Fieber und die ganzen anderen Labormaker und noch eine ganze Reihe anderer Symptome, je nach Organbeteiligung.
Und vieles spricht auch immer dafür, dass der Arzt, der hier sagt: „Ja! Das ist eine Sepsis!“ entsprechend früh meist mit Antibiotika behandelt. Und dann läuft alles nach Plan, d.h. der Patient entfiebert, vorwiegend wird auch die Ursache gefunden und dann ist alles gut. Der Patient geh gesund nach Hause und Ende.
Denkste.
Dann wird nämlich abgerechnet. Und hoppla, da kommt dann manchmal so ein Klugscheißer (Entschuldigung) und sagt: „Nein! Das war keine Sepsis!“.
Woraufhin der Arzt fragt: „Wieso? Ich war doch da! Das war eine Sepsis!“
Darauf antwortet der meist Nicht-Arzt: „Na weil du nur eine (oder keine) Blutkultur abgenommen hast!“
Arzt: „Na das kann doch nicht sein! Der Patient hatte alle Anzeichen einer Sepsis! Und die Ursache haben wir auch gefunden und behandelt und es hat doch alles gewirkt!“
Nicht-Arzt: „Trotzdem steht da in der Empfehlung von anno dazumal, dass eine Sepsis nur eine Sepsis ist, wenn man eine Blutkultur abnimmt!“
Um es abzukürzen: Wir wissen alle, wie die Diskussion weitergeht. Eine Sepsis ist auch eine Sepsis, wenn keine Blutkulturen vorliegen. Denn was viele vergessen: Es heißt „Infektionsnachweis durch Blutkultur oder klinische Kriterien“.
Wenn mir der Arzt also diese klinischen Kriterien plausibel darlegen kann, dann ist die Sepsis eine Sepsis. Mein Appell an Patienten lautet also immer: Vertraut auch ab und zu mal den Ärzten. Und zu Ende lesen hilft auch.