Einige Politiker haben seit Monaten unser Gesundheitssystem im Visier. Obwohl unser GKV-System wohl den höchsten medizinischen Standard in der Welt hat, kann man es doch mal aus politischem Kalkül schlecht reden, Ängste schüren und davon dann profitieren. Einige Medien lassen sich vor den Karren spannen. Und die Auswirkungen auf die Praxis?
Der Februar ist vorbei, aber die eigentliche Grippewelle ist wohl noch nicht durch. In meiner kleinen HNO-Praxis am Rande der Großstadt ist so viel los wie selten. Entzündungen der Ohren, Nebenhöhlen, Mandeln und des Kehlkopfes haben im Vergleich zum Herbst deutlich zugenommen. Wir arbeiten bis zum Anschlag, die Helferinnen machen, oft selbst nicht ganz fit, Überstunden und meine Familie sieht mich noch weniger als sonst. 60 Wochenstunden? Keine Seltenheit.
Wird es einem gedankt?
Ich frage mich hin und wieder: Wie gehen wir in dieser Gesellschaft eigentlich miteinander um? Welche Stimmung herrscht? Natürlich bin ich realistisch und erwarte nicht von jedem Patienten einen Kniefall oder Lobgesänge, aber merkt denn auch mal jemand, was wir leisten?
Ein Patient verläßt den Raum und bevor ich den nächsten auf meiner nicht enden wollenden Liste hereinrufe, gehe ich schnell nach vorne, um ein Dauerrezept zu unterschreiben. Vor der Ecke mache ich Halt.
„Ich habe Halsschmerzen!", brüllt ein nicht ganz so wohl erzogener Mann meine Helferin an. „Ich kann nicht bis zu Ihrer Notfallsprechstunde warten. Das tut weh und ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen!“
„Aber Herr Wohlklang, ich gebe Ihnen doch einen Termin für heute Mittag. Das ist in zwei Stunden.“
Wie kann sie da so ruhig anworten? Bewunderung!
„Zwei Stunden? Wie soll ich das aushalten?“
Die anderen Patienten nehmen Abstand. Mir fällt als alter Notfallmediziner sofort auf, dass die Atmung augenscheinlich zumindest gut funktioniert. Für diese Lautstärke braucht er viel Luft!
Negativ-Motivation
Und dann kommt er wieder! Dieser so unheimlich motivierende Satz, den man so gerne hört, wenn man selbst Überstunden macht, höchste Leistung bringt, versucht, motiviert zu bleiben, den Helferinnen die Überstunden bezahlt und dieses Quartal nicht nur – wie sonst üblich – 30 Prozent über dem Budget liegt, sondern weit mehr:
„Wenn ich ein Privatpatient wäre, könnte ich bestimmt sofort drankommen. Typische Zwei-Klassen-Medizin! Pfui!“
Vielen Dank Politik
Abends sitzen wir noch kurz zusammen, meine Helferinnen mit Tränen in den Augen. Sie sagen, sie hätten in den letzten Monaten oft darüber nachgedacht, sich einen ruhigeren Job zu suchen. Einfach mal nicht angeschrien und beschimpft zu werden. „Respekt“ und „Würdigung der Arbeit“ sind oft genannte Stichworte.
Aber spiegelt das nicht die Stimmung im Lande wieder? Ist es nicht Plan einiger Politker, Ängste, Neid und den Klassenkampf zu schüren, um selbst politisch erfolgreicher zu sein? Wissen die Gesossen, was sie damit den rechtschaffenden und fleißigen, den unbestechlichen und ethisch richtig handelnden Leistungserbringern antun?