Wenn man als Patient ins Krankenhaus kommt, muss man diversen Menschen ziemlich viele Fragen beantworten. Und zwar immer dieselben. Das ist ganz normal und sinnvoll. Wer Einblick in den Klinikalltag hat, weiß das. Patienten in der Regel nicht. Dann wird erstmal rumgemosert.
„Guten Tag, Herr XY, mein Name ist Gramsel, ich bin die zuständige Ärztin. Ich habe gehört, Sie haben sich das Knie verletzt? Können Sie mir erzählen, wie das passiert ist?“
„Mein Gott, das hab ich jetzt schon drei Mal erzählt! Fragen Sie doch die Schwester, die vorhin da war, ich hab jedenfalls keine Lust, nochmal von vorn anzufangen!“
Tatsache: Wenn du ins Spital kommst, fragen dich etwa hundert Leute dieselben Fragen, und das kann nervig sein. Dennoch ist es wichtig und unverzichtbar, sich vom Patienten das Leiden selber schildern zu lassen. Dass „Telefonspiel“ und „Stille Post“ nicht optimal funktioniert, sollten wir alle schon im Kindergarten gelernt haben.
Brustschmerzen vor Schnupfen
Zuerst fragt jemand am Empfang nach dem ungefähren Problem. Dies, um zu entscheiden, in welche Fachrichtung der Patient eingeteilt werden soll. Außerdem wird die Dringlichkeitsstufe eingeschätzt. Ein Schnupfen hat nunmal nicht die gleiche Priorität wie Brustschmerzen. Dies nennt man „Triage“.
Pflegekräfte fühlen vor
Dann kommt jemand von der Pflege. Pflegekräfte auf dem Notfall, insbesondere die sehr erfahrenen, haben ein fantastisches Gespür und können Patienten schnell gut einschätzen. Sie messen im Optimalfall gleich mal Blutdruck, Puls und Sauerstoffsättigung und können so den Allgemeinzustand des Patienten bestimmen. Wenn ihnen nun etwas auffällt, können sie das dem Arzt direkt sagen – „Du, der Patient in Koje 3 sieht aber gar nicht gut aus, kannst du da gleich mal schauen?“ oder „Ne, das ist nur eine ganz kleine Schnittwunde, kümmer dich ruhig erstmal um den Blinddarm.“
Weiter geht es zu den Ärzten
Möglicherweise kommt dann ein Medizinstudent. Der fragt auch nochmal alles, und will noch ganz viel mehr wissen. Irgendwie muss man es ja lernen, oder? Er untersucht auch den Patienten mal mehr oder weniger gründlich. Mit der so erhobenen Anamnese geht er dann zum Assistenzarzt.
Der Assistenzarzt seinerseits kommt vielleicht auch noch vorbei, um ein paar Fragen zu stellen, die der Uhu vergessen hat. Dann entscheidet der Assistenzarzt über die nächsten Maßnahmen – EKG, Röntgen, Blut- oder Urinprobe und was es sonst noch so gibt. Und mit diesen Ergebnissen wiederum wendet sich der Assistenzarzt dann an den Oberarzt, welcher oft ebenfalls vorbeikommt, nochmal fragt, und dann gemeinsam mit dem Assistenzarzt die Diagnose und Therapie festlegt.
Wir bitten um Verständnis
Nun, ich verstehe, dass es mühsam sein kann, wenn so viele verschiedene Leute kommen und einem Fragen stellen. Andererseits ist das hier ein Plädoyer für mehr Verständnis als Patient.
Der Medizinstudent muss die vollständige Anamnese und zielorientierte Untersuchung lernen. Sowas kann man nicht einfach so. Man kann es eben auch nicht an einem Kollegen üben. Richtige kranke Menschen sind halt anders.
Der Assistenzarzt ist selber auch noch in der Ausbildung. Und obwohl er vielleicht schon viel weiß und gesehen hat, ist auch er noch auf Hilfe oder Absicherung angewiesen und darf (zu Recht) nicht immer alles selbst entscheiden.
Die Antworten gehen auseinander
Aber nicht nur deshalb ist das 20-Augen-Prinzip sinnvoll – wie selektiv Patienten Dinge erzählen, ist immer wieder faszinierend. Ich kriege sehr häufig andere Antworten als meine Vorgesetzten.
Zum Beispiel der Patient mit dem starken Magenbrennen, der mir bestätigt, er nehme Säureblocker seit 20 Jahren. Erst gegenüber dem Oberarzt gibt er dann zu, die Tabletten vor ein paar Monaten selbständig abgesetzt zu haben.
Eine andere Patientin hat mir gegenüber mehrmals bestätigt, keine Medikamente zu nehmen und keine Vorerkrankungen zu haben. Ich verschrieb ihr ein Schmerzmittel für ihr Knie und ließ dann den Orthopäden noch kurz drauf schauen, der ebenfalls wieder fragt, ob sie Erkrankungen habe. Sie antwortet mit „Nein … also außer mein Morbus Crohn, aber gegen den muss ich grade nichts nehmen.“ Morbus Crohn ist eine entzündliche Erkrankung des Darms, welche sehr schlecht auf das von mir verschriebene Medikament reagiert hätte.
Von da her: Entschuldigt, liebe Patienten, dass wir alles lieber von euch direkt hören möchten. Wir verlassen uns nicht gern darauf, was jemand anderer sagt, weil manchmal Dinge missverstanden werden, oder anders interpretiert. Oder weil ihr anderen Leuten andere Dinge erzählt. Habt Geduld. Es dient der Sicherheit und hilft zur exakteren Diagnose.