Vor mir sitzt ein Jugendlicher mit seinem Smartphone. Seine letzten Social-Media-Posts zeigen vielleicht lachende Gesichter beim Diskobesuch. Vielleicht auch schon das abfotografierte Innere des Rettunsgwagens, der ihn in unsere Notaufnahme brachte.
Aktuell ist dort aber nun sicher der Blick auf seinen Unterarm zu sehen. Zahlreiche Schnittverletzungen und Schürfwunden zieren die Innenseite seines Unterarms. Als ich den Verband der Primärversorgung entferne, sehe ich, dass die Glassplitter der zersprungenen Bierflasche bereits größtenteils entfernt wurden.
Ich drehe mich um, um die Lokalanästhesie aufzuziehen und sehe, dass er aus allen Blickwinkeln seine Wunde fotografiert. Als ich mich steril anziehe und beginne, die Wunden zu säubern, hält er das Smartphone auf den Instrumententisch und mich.
„Legen Sie bitte das Handy zur Seite. Keine Fotos!“
„Ich fotografiere Sie doch gar nicht. Ich möchte nur filmen, wie Sie alles wieder zunähen.“
„Kommt nicht in Frage. Lassen Sie das.“
„Warum denn? Das stört Sie doch gar nicht. Und das macht sich echt super auf meinem Youtube-Kanal. Die gehen voll darauf ab. Kommen Sie schon. Wir können auch noch ein gemeinsames Foto machen. So mit diesem Mundschutz und den Handschuhen und so. Ehrlich, da erkennt man Sie gar nicht wirklich.“
Auch wenn ich es kaum fassen kann, muss ich ihm eines lassen: Der Junge ist geschäftstüchtig.
„Kein Problem. Dann zeigen Sie mir doch einfach die Genehmigung für Film- und Fotoaufnahmen, die Sie hierfür brauchen.“
Er grunzt und schiebt das Handy in die Tasche. Als ich zum Wundschutz eine Fettgaze auflegen möchte, versucht er es erneut. „Halt! Nichts darauf legen. Nicht zubinden. Zumindest einmal muss ich die genähten Wunden noch abfotografieren.“
Kein Problem. Ich wünsche dann viel Spaß beim ersten Verbandswechsel. Sicherlich live auf seinem Youtube-Kanal.