Es sind die kleinen Spitzen gegen Kollegen und Patienten, mit denen es beginnt. Die Arztrunde feixt über den Fehler des Assistenzarztes. Wird es toleriert? Macht der Chef sogar mit? Dann wird es rasch zur Arbeitskultur. Dagegen kann und sollte man etwas tun.
Lieschen Müller, die „Unfallchirurgin und Mutter“, schildert in einem ihrer Blogbeiträge, wie sich Ärzte im Beisein von Patienten abschätzig über Vorbehandler und Kollegen äußern.
„Welches Antibiotikum hat Ihnen Ihr Hausarzt verschrieben? Das ist nicht erste Wahl!“.
Was passiert, wenn Kollegen „negativ" von anderen Ärzten sprechen, ist in dem Beitrag anschaulich beschrieben. Die Patienten sind verwirrt und verlieren jedes Vertrauen in Ärzte. Leider ist dieses Verhalten nicht nur ein Problem, wenn Patienten anwesend sind.
Die Kultur der Abteilung
Es sind subtile negative Bemerkungen über Kollegen oder Patienten, mit denen es anfängt. Da amüsiert sich die Arztrunde über den Fehler des Assistenten oder den Fauxpas des Chefs, der einer Kollegin zur Hochzeit gratuliert, nachdem Sie nach der Scheidung Ihren alten Namen wieder angenommen hat. Ist das normal und Bestandteil einer guten Stimmung im Team? Nach einer Folge Dschungelcamp könnte man meinen, solch ein Verhalten sei völlig harmlos und selbstverständlich.
Manchmal sind es keine offenen Lästereien, bei denen es um konkrete Fehler der Kollegen bei einer Behandlung geht. Es sind negative Bemerkungen, die immer gerade so formuliert sind, dass man irgendwie mitmacht, denn deswegen zu rügen, wäre ja übertrieben. Wenn es um die Fehler der anderen geht, haben wir ein sensibles Gespür. Und oft eine gewisse Freude daran, darüber im Kollegenkreis zu sprechen.
Wenn von oben vorgelebt wird, dass es in Ordnung ist, sich über die kleinen Unzulänglichkeiten der Kollegen lustig zu machen, gehört das rasch zur Abteilungskultur. Dann wird es zur Kultur der Abteilung.
Junge Kollegen mag es zu Beginn verunsichern, wenn sie solche negativen Bemerkungen hören. Aber der Neue merkt rasch, dass selbst die eigenen Führungskräfte sich daran beteiligen – oder es zumindest schweigend dulden – und macht dann eben mit.
Das Leitbild sagt etwas anderes
Mit ziemlicher Sicherheit gibt es auch in Ihrer Klinik ein "Leitbild". Es enthält Aussagen dazu, welche Ziele die Klinik verfolgt und wie Mitarbeiterorientiert alle sein wollen.
Was im Leitbild Ihrer Klinik steht, kann ich Ihnen ziemlich sicher sagen, ohne es gelesen zu haben. Denn es sind immer die gleichen Punkte:
Und so weiter ...
Aber wird das Leitbild auch gelebt? Wird von Führungskräften eine negative Sprache gepflegt, dann setzt sich das in kürzester Zeit über alle Hierarchieebenen fort. Und dann wird es plötzlich fast selbstverständlich, gegenüber Patienten negativ über Kollegen zu sprechen, wie Lieschen Müller es beobachtet hat.
Bewusst machen, was man bleiben lassen muss
Der Führungskräfte-Coach Marschall Goldsmith bringt es auf den Punkt: Als Führungskraft ist es zwar wichtig zu erklären, was die Mitarbeiter wie tun müssen, wichtiger ist aber, ihnen zu zeigen, welches Verhalten sie dringend unterlassen müssen.
Goldsmith ist ein vielfach ausgezeichneter Coach, der mit vielen Top-Führungskräften großer Unternehmen gearbeitet hat. Als sein eigenes Team zur Mitarbeiterzufriedenheit befragt wurde, bekam er von über 90 Prozent die Rückmeldung, dass er sich öfter negativ über andere Menschen äußert. Das war ihm nicht bewusst gewesen und er nahm sich vor, sein Verhalten zu ändern.
Hier ist ein vier-minütiger Ausschnitt, in dem er das Problem und seine Lösung beschreibt:
Was Goldsmith hier macht, wird auch in der Psychotherapie oft verwendet.
Was Goldsmith hier macht, wird auch in der Psychotherapie oft verwendet: Man verpflichtet sich dabei zur Veränderung eines problematischen Verhaltens. Und weil wir ständig Verpflichtungen eingehen, die wir nicht einhalten, trifft man zusätzlich folgende Maßnahmen:
Wie kann man sich wirksam bestrafen?
Das Nicht-Erreichen der selbst gesteckten Ziele sollte schmerzlich sein. So baut man mehr Motivation auf, die Ziele auch wirklich erstzunehmen. Man kann sich bestrafen
Goldsmith hat in seinem Team angekündigt, dass er nicht mehr negativ über andere Menschen sprechen möchte. Er kündigte an, jedem Mitarbeiter zehn Dollar zu geben, der ihn dabei erwischt, wie er abschätzig über andere spricht. Zuerst hatte er Sorge, dass seine Mitarbeiter sich nicht trauen würden, ihn auf sein selbst definiertes Fehlverhalten hinzuweisen. Doch diese Sorge war unbegründet.
Nach einem halben Tag war Goldsmith schon 50 Dollar los und beschloss, sich für den Rest des Tages in sein Büro einzuschließen und nicht mal ans Telefon zu gehen. Nach wenigen Tagen musste er nur noch selten zehn Dollar bezahlen. Er hatte sein Verhalten erfolgreich verändert.
Wie viel würde es mich wohl kosten, morgen mit dieser Ankündigung in mein Team zu gehen? Könnte ich ich mir das aus finanzieller Sicht leisten? Und wie lange würde es dauern, bis mein neues Verhalten eine Veränderung in der Kommunikation der ganzen Abteilung bewirken würde?
Und wie steht es bei Ihnen? Wie sieht es in Ihrer Abteilung aus? Und wie könnten Sie eine Änderung bewirken? Wie sie häufig gilt: indem wir bei uns selbst beginnen.
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