Ein Bankvertreter erzählte mir, Apotheken-Neugründungen würden heute kaum noch finanziert, zu groß sei das Risiko für Kreditinstitute. Zahlen bestätigen das: Derzeit gibt es 19.700 Einzelfilialen. So wenige Apotheken gab es seit 30 Jahren nicht mehr.
Die fetten Jahre sind vorbei: Noch gut erinnere ich mich an Schulzeiten im niederbayerischen Landshut. Die Altstadt, eine zentrale Straße des mittelalterlich-verschlafenen Städtchens, beherbergte auf wenigen Kilometern fünf Apotheken. Seit Ulla Schmidts (SPD) Zeiten als Gesundheitsministerin ist die Luft dünner geworden. Weitere Reformen folgten, und sie fielen größtenteils zu Ungunsten der Apothekerschaft aus. Einmal mehr gibt es düstere Zahlen.
Tiefster Stand seit 30 Jahren
Wie die ABDA berichtet, geht der Abwärtstrend nahe ungebremst weiter. Gab es im Jahr 2000 noch 21.592 Apotheken, sank deren Zahl auf 21.476 (2005), 21.441 (2010), 20.249 (2015), 20.023 (2016) und 19.748 (2017). Laut Standesvertretern handele es sich um den tiefsten Stand seit 30 Jahren. Auffällig ist nicht nur, dass immer mehr Apotheken schließen (2014: 384; 2015: 346; 2016: 349; 2017: 395). Mit den Neugründungen geht es ebenfalls bergab (2014: 163; 2015: 154; 2016: 123; 2017: 120).
Bei einem Kongress erzählten Bankvertreter mir, heute würden kaum noch Neugründungen finanziert, zu groß sei das Risiko auch für Kreditinstitute. Einzige Ausnahmen seien Ärztehäuser oder Shoppingcenter. Darüber kann man geteilter Meinung sein. Letztlich haften Existenzgründer immer mit ihrem gesamten Privatvermögen. Sollten Kunden trotz teurer Vorab-Standortanalysen ausbleiben, wird die Sache bitter.
Europa ist böse – wir sind die Guten
Beim Apothekensterben ist die Schuldfrage schnell geklärt. „Derzeit haben wir noch eine flächendeckende Versorgung. Wenn wir uns aber auf Dauer bei rezeptpflichtigen Medikamenten einen unsinnigen Preiswettbewerb mit ausländischen Arzneimittelversendern liefern müssen, wird das nicht mehr so bleiben“, erklärt ABDA-Chef Friedemann Schmidt.
Wenig überraschend fordert er „dringend und schnell ein Gesetz, das wieder einheitliche Preise bei rezeptpflichtigen Medikamenten herstellt“ und zwar „über ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln“. Es ist an der Zeit, seine Argumente einmal gründlicher anzusehen.
Erste Hilfe vor Ort
Schon heute gibt es Möglichkeiten, um gegenzusteuern. Dazu ein paar Zahlen aus Baden-Württemberg. Dort haben im letzten Jahrzehnt rund 250 Apotheken für immer ihre Pforten geschlossen – und die Wege werden weiter. Apotheker setzen verstärkt auf Rezeptsammelstellen. Alle Standorte sind mittlerweile online abrufbar.
„Genaue Richtlinien der Landesapothekerkammer stellen sicher, dass die Rezeptsammelstellen geografisch gerechtfertigt sind und zuverlässig von den Apotheken vor Ort betreut werden“, sagt LAK-Präsident Dr. Günther Hanke. Neben „Bestellkästen“ gibt es mittlerweile digitale Lösungen im Testbetrieb. Die Lieferung und Abgabe der Medikamente erfolgt durch pharmazeutisches Personal.
Minikette mit Perspektive
Apropos Personal: „Nicht nur die Zahl der Apotheken, sondern auch die Zahl der Inhaber sinkt immer weiter“, so Friedemann Schmidt. Demnach verringerte sich die Zahl an Chefs mit Haupt- oder Einzelapotheke von 16.269 (2014), 15.968 (2015), 15.607 (2016) auf 15.236 (2017). Schmidt interpretiert, dies liege „nicht nur am scharfen Wettbewerb, sondern leider auch an den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen“.
Wohl wahr, aber er übersieht einen essentiellen Aspekt. Viele Apothekerinnen und Apotheker sind nicht mehr bereit, 60 bis 70 Stunden pro Woche zu arbeiten und dann am Wochenende vielleicht noch etwas BWL zu machen. Die Generation unser Eltern ist Geschichte. Pharmazeuten wünschen sich, wie in anderen Branchen längst üblich, auch eine Work-Life-Balance. Und nicht alle sind bereit, das unternehmerisch hohe Risiko zu tragen.
Für sie bieten sich Positionen zur Filialleitung als interessante Alternative an. Zirka 40 Wochenstunden, geregelte Urlaubszeiten, ein deutlich attraktiveres Gehalt als im Angestelltenverhältnis und – wenn auch selten – gewisse unternehmerische Freiräume, diese Argumente überzeugen mehr und mehr Kollegen. Der Bedarf ist da: Gab es in 2014 noch 4.172 Filialen, waren es in 2015 schon 4.281, ein Jahr später 4.416 und zuletzt 4.512. Die Zahlen zeigen deutlich, dass sich Deutschland ganz klar in Richtung Mini-Apothekenketten bewegt.