Wir Apotheker schaffen es manchmal, unseren Kunden Angst einzuflößen. Dafür kann es ausreichen, bestimmte Wörter zu benutzen. Eines davon ist Cortison. Noch schlimmer wird das Ganze, wenn Kunden erfahren, dass der Wirkstoff in mehr als nur einem ihrer Medikamente enthalten ist.
Die Mutter reicht mir ein Rezept vom Hautarzt für ihr Kind, ein kleines Mädchen. Ich suche die Sachen zusammen und schreibe es entsprechend den Vorgaben des Haut-Arztes auf:
Clarelux Schaum – 1 x täglich auf Stellen der Kopfhaut auftragen.
Dermovate Salbe – 1 x täglich auf Stellen an den Beinen auftragen.
Optiderm Creme – 2-3 x täglich auf die Beine auftragen (nach Diprogenta).
Ich erkläre ihr die Produkte und die Anwendung bei der Abgabe.
Alles gut und sie geht.
Doch nicht alles gut?
Ich ziehe mich ins Büro zurück um ein paar verwaltungstechnische Sachen zu erledigen. Arbeitspläne schreiben gehört nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, muss aber auch erledigt werden. Mit Konzentration gehe ich an die Sache, weshalb ich nicht sagen kann, wie viel vergangen ist, bis auf einmal unser Drogist Urs vor mir steht:
Urs: „Du hattest doch vorher eine Patientin mit dem hier.“
Er zeigt mir den Schaum und die Dermovate Salbe.
Urs: „… und jetzt ist der Vater da und hat eine Frage.“
Hmm, seltsam. Ich dachte eigentlich, das war ein ziemlich einfaches und deutliches Rezept und ich habe doch alles auf die Dosierungsetikette geschrieben?
Ich gehe nach vorne.
Der Vater deutet auf die Produkte unter meiner Nase: Dermovate und Clarelux
Vater: „Da steht drauf, das ist für den Kopf.“
Pharmama: „Ja?“
Vater: „Und da steht drauf, das ist für die Beine.“
Vater: „Aber das kann nicht sein.“
Pharmama: „Weshalb?“
Vater: „Da ist bei beiden dasselbe drin.“
Das stimmt sogar, bei beiden ist es Clobetasol – wie das ja jetzt auch schön groß auf der Packung steht. Ein Cortison.
Ich habe das böse Wort mit C gesagt
Pharmama: „Ja. Und?“
Vater: „Aber sie hat verschiedene Sachen auf dem Kopf und an den Beinen, das ist nicht dasselbe.“
Pharmama: „Für was braucht sie es auf dem Kopf?“
Vater: „Sie hat so Haarausfall an runden Stellen.“
Pharmama: „Ja – kreisrunder Haarausfall, das ist auch für das.“
Vater: „Und an den Beinen hat sie an einer Stelle so rote, schuppige Haut.“
Pharmama: „Ja, wahrscheinlich ein Ekzem? Das ist auch dafür.“
Vater: „Aber … kann das sein?“
Pharmama: „Ja. Der Wirkstoff ist ein Cortison.“
Geschockter Blick vom Vater – wieso ist das immer noch so verrufen? Ich kenne keinen einzigen Fall in meinen bald 20 Jahren Apothekenerfahrung, in dem aufgetragenes oder eingenommenes Kortison üble Nebenwirkungen gehabt hätte. Und trotzdem ist das noch so in den Köpfen der Leute.
Pharmama: „Das ist ein sehr wirksames Mittel gegen alle Arten von Entzündungen und Hautveränderungen aufgrund vieler Ursachen.“
Vater: „Dann ist das wirklich gegen beide Probleme – derselbe Wirkstoff?“
Pharmama: „Ja. Und es sind verschiedene Mittel, da man Salbe nicht so gut in die Haare schmieren kann. Das verfettet alles, deshalb ist das eine ein Schaum.“
Vater: „Okay … Tut mir leid für die Störung!“
Pharmama: „Kein Problem.“
Er nimmt die Produkte und geht wieder.