Forschern ist es erstmals gelungen, Herzrhythmusstörungen in Mäusen mit Lichtreizen zu beenden. Die Technik zeigt die prinzipielle Machbarkeit eines optogenetischen Defibrillators zur Behandlung von Kammerflimmern und könnte auch beim Menschen erfolgreich angewendet werden.
Bei Patienten mit bekanntem Risiko für Herzrhythmusstörungen ist die prophylaktische Implantation eines miniaturisierten Defibrillators das Mittel der Wahl. Bei Kammerflimmern wird dann automatisch ein Stromstoß ausgelöst, der die Herzmuskelerregung normalisiert und dadurch das Leben rettet. „Wenn ein implantierter Defibrillator auslöst, was leider auch durch falsche Detektion der Rhythmusstörung passieren kann, ist das immer ein sehr traumatisches Ereignis für die Patienten“, sagt der Leiter der Studie Juniorprofessor Dr. med. Sasse. „Der starke elektrische Stromschlag ist sehr schmerzhaft und kann auch das Herz weiter schädigen.“ Wie die Wissenschaftler nun aber zeigen, lässt sich Kammerflimmern auch durch einen optischen Defibrillator beenden.
Das Team verwendete die neue Methode der „optogenetischen“ Stimulation und arbeitete dafür mit Mäusen, bei denen die Gene für sogenannte Kanal-Rhodopsine ins Herz eingeschleust wurden. Es handelt sich dabei um Kanäle aus Grünalgen, die unter Einfluss von Licht wie ein Schalter die Durchlässigkeit von Ionen durch die Herzmuskelzellen verändern.
Wurde durch die Forscher bei den Mäuseherzen nun ein Kammerflimmern ausgelöst, genügte ein Lichtpuls von einer Sekunde auf das Herz, um den normalen Rhythmus wieder herzustellen. „Das ist ein sehr wichtiges Ergebnis“, betont Erstautor Dr. med. Brügmann. „Es zeigt erstmals experimentell in Herzen, dass die optogenetische Stimulation zur Defibrillation von Herzrhythmusstörungen genutzt werden kann.“ Das funktionierte auch in ganz normalen Mäusen, welche das Kanal-Rhodopsin erst durch Injektion eines biotechnologisch hergestellten Virus erhielten. Dies zeige eine mögliche klinische Anwendbarkeit, da ähnliche Viren bereits für Gentherapien von Patienten verwendet werden können. A: Optogenetische Defibrillation (blauer Balken) beendet Rhythmusstörung im Mäuseherz. B: Simulation der optogenetischen Defibrillation (roter Balken) im Modell eines menschlichen Herzens. © Tobias Brügmann (Uni Bonn) / Patrick M. Boyle (Johns Hopkins University)
Sind aber die an Mäuseherzen gewonnenen Erkenntnisse auch auf Menschen übertragbar? Um diese Frage zu beantworten, arbeiteten die Wissenschaftler der Universität Bonn mit dem „Computational Cardiology” Labor der Johns Hopkins Universität zusammen. Dort wurde die optogenetische Defibrillation in einem Computermodell von einem Herzen eines Patienten nach einem Herzinfarkt erprobt. „Unsere Simulationen zeigen, dass ein Lichtpuls auf das Herz auch die Herzrhythmusstörung dieses Patienten beenden würde“, berichtet Autor Prof. Boyle. Hierfür musste das Verfahren der Universität Bonn noch für menschliche Herzen optimiert werden, indem die Herzzellen nicht mit blauem Licht wie bei den Mäusen, sondern mit rotem Licht angeregt wurden. Dieser Aspekt der Studie zeigt die wichtige Rolle von Computermodellen für die systematische Entwicklung optogenetischer Therapieansätze.
„Unsere Daten zeigen die prinzipielle Machbarkeit eines optogenetischen Defibrillators zur Behandlung von Kammerflimmern“, fasst Prof. Sasse zusammen. Das flimmernde Herz mit einem Lichtreiz wieder in einen normalen Rhythmus zu versetzen, sei absehbar schmerzfrei und deutlich schonender für die Patienten als die Verwendung von Elektroschocks. Das neue Verfahren befinde sich aber noch im Stadium der Grundlagenforschung. Bis ein optischer „Defi“ für die Behandlung von Patienten entwickelt werden könne, dauere es noch mindestens fünf bis zehn Jahre, schätzt Sasse. Originalpublikation Optogenetic defibrillation terminates ventricular arrhythmia in mouse hearts and human simulations Tobias Bruegmann et al.; Journal of Clinical Investigation, doi:10.1172/JCI88950 ; 2016