Die Kundschaft steht bis auf die Straße. Im Laden sind wir nur zu zweit. Manche Dinge passieren immer genau dann. Wie das erfreuliche Telefonat mit einer MFA, die von einem Ort kommen muss, an dem Erinnerungsverlust und Begriffsstutzigkeit ihr Zuhause haben.
Heute waren meine Kollegin Birgit und ich alleine. Jede von uns hat knapp 100 Kunden bedient, dazu noch Ware und Rezepturen abgearbeitet. Am Ende des Tages gab es daher nicht nur ein High Five, sondern eine herzliche Umarmung. Das haben wir gut hinbekommen, denke ich - trotz langen Schlangen und diversen Schwierigkeiten.
Zum einen mit Arzneimitteln, die nicht lieferbar sind und auch nicht so leicht ersetzt werden können. Wie eine Tablette, die Bruchkerben hat, um sie zu dritteln – nicht lieferbar. In gleicher Stärke sind nur Arzneiformen zu bekommen, die man entweder gar nicht teilen, oder maximal halbieren kann.
MFA aus Absurdistan?
Zum anderen mit einer MFA, die heute direkt aus Absurdistan gekommen sein muss, um mich zu quälen. Ein Kunde kam zu uns mit einem Rezept über Aspirin 300 N 98St. samt dem beliebten Aut-idem-Kreuz, das es uns möglich macht, das Original abzugeben, selbst wenn ein Rabattvertrag der Krankenkasse mit einer anderen Firma vorliegt. In dem Fall meldet mir meine Software, dass besagter Kunde immer die Aspirin protect 300 von uns bekommen hat. Das ist der gleiche Wirkstoff in derselben Dosierung, nur die Arzneiform ist anders. Während sich die „normalen“ Tabletten direkt im Magen auflösen und bei Menschen mit Magenproblemen zu Schleimhautreizungen, Magenbluten und ähnlich überaus angenehmen Nebenwirkungen führen können, lösen sich die „protect“ erst nach dem Magen auf und sind somit besser verträglich.
Ich fragte, ob die Magenprobleme inzwischen der Vergangenheit angehören. Der Kunde verneinte und sagte gleich, dass er nur die „protect“ nehmen möchte, also schickte ich ihn zurück zum 20 Kilometer entfernten Arzt, um sich ein neues Rezept ausstellen zu lassen. Der Kunde war natürlich schwer begeistert – selbst bezahlen wollte er die Aspirin aber auch nicht. Wäre natürlich möglich gewesen, aber er ist ja befreit und da geht es dann ums Prinzip. Eine Stunde später stand er wieder vor mir, das selbe Rezept wieder in der Hand. „Die Arzthelferin hat gesagt, sie verschreibt das immer so“. Ich checke nochmal die Datenbank mit folgendem Ergebnis: Der Kunde bekommt bereits seit drei Jahren IMMER die „protect“. Als nächstes habe ich bei unserer Rezeptabrechnungsstelle eine Kopie der letzten Verschreibung herausgesucht, natürlich war „protect“ verordnet.
„Der Fehler liegt bei Ihnen!“
Es blieb mir also nichts anderes übrig, als in der Praxis anzurufen. Die MFA war auch gleich dran, um mir ohne Punkt und Komma zu erklären, dass sie NIEMALS „protect“ verordnet hätten. Sie habe in der letzten Verordnung geguckt, da stehe nichts von „protect“. „Also“, zische ich langsam durch die Zähne, „gute Frau, die letzte Verordnung ist ja die falsche gewesen. Wenn sie die im Computer wieder aufrufen, finden Sie natürlich nur die normalen Tabletten. Schauen Sie bitte mal in den Januar, ja?“
Das KANN sie jetzt plötzlich nicht. Sie bezweifelt aber immer noch, dass jemals ein „protect“-Rezept das Haus verlassen hätte, der Fehler läge bei uns. Ich lege ihr also die Rezeptkopie unserer Abrechnungsstelle auf das Fax. Auf einmal ist sie ganz still. Äääääh, das können sie sich jetzt nicht erklären. Der Doktor sei jetzt aber schon im Wochenende, ob der Patient vielleicht am Montag wieder kommen könnte? Ich erkläre ihr höflich, aber bestimmt dass sie das Rezept bitte per Post an uns schicken soll. War schließlich Fehler der Praxis, und der Patient inzwischen schon 2 Mal dort gewesen wegen diesem verdammten Rezept.
Herr, wirf Hirn! Inzwischen stand die Kundschaft schon bis auf die Straße. Wir haben ja sonst nichts zu tun, ne?