Apotheker und Ärzte fordern gemeinsam, Ausschreibungen bei lebenswichtigen Medikamenten zu stoppen. Das hören Krankenkassen gar nicht gern. Sie halten an ihrer Methodik fest. Löst eine Vorratspflicht für Hersteller das Problem?
Mitte 2016 kam es erneut zu Lieferengpässen beim Zytostatikum Melphalan (Alkeran®). Das Präparat war bereits in 2014 und 2015 zeitenweise nicht verfügbar. Onkologen setzen die Substanz bei Patienten mit Multiplem Myelom, fortgeschrittenem Ovarialkarzinom und weiteren Krebserkrankungen ein. Professor Dr. Stefan Krause vom Universitätsklinikum Erlangen sagte gegenüber report München: „Wenn es sich länger zieht oder die Versorgung abbricht, wird sich die Überlebenschance der Patienten verschlechtern”. Jetzt setzen sich Ärzte und Apotheker gemeinsam zur Wehr.
Heilberufler fordern von der Bundesregierung, GKV-Exklusivausschreibungen für Zytostatika-Zubereitungen einen Riegel vorzuschieben. „Exklusivverträge für Zytostatika-Rezepturen zerstören die flächendeckende Versorgungstruktur. Nach jeder Ausschreibungsrunde bleiben weniger Gewinner übrig und immer mehr Spezialapotheker müssen aufgeben“, so Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes. „Der Gesetzgeber muss bald handeln und solche Ausschreibungen verbieten.“ Es könne nicht angehen, dass Krankenkassen „die Zytostatika-Versorgung kaputt sparen“, so Becker weiter. Aufgrund von Exklusivverträgen droht auch immer wieder das Risiko von Lieferengpässen: teilweise bei lebenswichtigen Pharmaka wie Melphalan.
Professor Hilko Meyer von der Fachhochschule Frankfurt am Main geht jetzt sogar noch einen Schritt weiter. Angesichts ständiger Lieferengpässe kann er sich vorstellen, dass der Gesetzgeber Konzerne verpflichtet, bestimmte Minimalreserven wichtiger Arzneistoffe zu bevorraten. Der Medizinjurist erinnert an eine Gesetzesinitiative aus dem Jahr 2012. Damals wollten Regierungsvertreter Gesundheitsbehörden die Möglichkeit geben, bei drohenden Engpässen Hersteller oder Großhändler stärker zu kontrollieren. Letztlich scheiterte das Regelwerk sowohl am Bundestag als auch am Bundesrat. Damals störten sich die Verantwortlichen an schwammigen Begriffen. Sie wollten außerdem Eingriffe in unternehmerische Freiheiten tunlichst vermeiden – mit verheerenden Folgen. Bis heute zeichnet sich keine Lösung ab. Vielmehr bleibt es bei freiwilligen Selbstverpflichtungen. Eine Zusammenstellung nicht lieferbarer Pharmaka veröffentlicht das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Web.