Während angestellte Apothekerinnen vom Mutterschutzgesetz profitieren, gilt das Gesetz für selbstständige Frauen häufig nicht – sie arbeiten nicht selten bis kurz vor der Geburt. Dafür ist auch eine schlampig umgesetzte europäische Vorgabe verantwortlich.
„Warum müssen angestellte Zahnärztinnen sofort nach Feststellen einer Schwangerschaft freigestellt werden, während selbständige Zahnärztinnen weiterarbeiten dürfen solange sie wollen“, will eine DocCheck-Leserin wissen. „Wenn der Gesetzgeber die angestellten Ärztinnen schützen will, warum dann nicht auch Selbständige?“ Die Sache ist nicht einfach – es zeigt sich aber, dass der Gesetzgeber Selbständige stärker in die Pflicht nimmt, vorzusorgen. Gerecht geht anders.
Mutterschutzgesetz: Umfangreiche Verbote
Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) gilt für alle (werdenden) Mütter, die in einem Arbeitsverhältnis stehen. Wichtige Punkte sind:
Für Selbständige gilt das Gesetz grundsätzlich nicht
Von diesen Regelungen profitieren freiberuflich tätige Frauen nicht. Das Arbeitsrecht sieht umfangreiche Fürsorgepflichten des Arbeitgebers vor (u.a. §§ 617 bis 619 Bürgerliches Gesetzbuch). Ärztinnen, Apothekerinnen und andere Frauen, die selbständig tätig sind, haben keine Vorgesetzten. Auch bei ihnen gilt natürlich: Manche Tätigkeiten sind für Mutter und Kind kritisch. Wer nicht vorgesorgt hat, rutscht schnell in Richtung Existenzgefährdung. Ganz klar: Freie Berufe in selbständiger Tätigkeit werden von der Regierung kaum reglementiert. Vielmehr sind Frauen in der Pflicht, selbst vorzusorgen.
Elterngeld: Tropfen auf den heißen Stein
Zwar schreibt eine EU-Richtlinie zum Elternurlaub vor, dass auch Selbständige Mutterschaftsansprüche von mindestens 14 Wochen haben. Sie lässt aber offen, wie Mitgliedsstaaten der Union das Papier umsetzen. Deutschland hat sich mit seinem Elterngeld bereits „freigekauft“, das auch für selbständige Tätigkeiten ausgeschüttet wird. Maßgeblich ist der Gewinn laut Steuerbescheid im letzten abgeschlossenen Jahr vor der Geburt. Die Sache hat aber einen Haken. Im Unterschied zu Angestellten können Ärztinnen oder Apothekerinnen ihr Unternehmen nicht einfach im Stich lassen. Sie benötigen eine verlässliche Vertretung – und schon ist das Elterngeld verdampft.
Lücken mit Krankentagegeld schließen
Auf Nachfrage weist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend darauf hin, dass seit April 2017 Änderungen im Gesetz über den Versicherungsvertrag (VVG) greifen. Demnach haben Frauen mit Krankentagegeldversicherung einen Anspruch, dass ihr Verdienstausfall auch während der Schutzfristen ersetzt wird. Vertraglich vereinbarte Wartezeiten dürfen nicht länger als acht Monate sein. Wer anderweitige Kompensationen erhält, geht jedoch leer aus.
Von wegen Mutterschutz
Bleibt als Fazit: Mütter, die nicht im Anstellungsverhältnis arbeiten, haben bei uns das Nachsehen – speziell, wenn sie eine Arztpraxis oder Apotheke leiten. Parteien aller Couleur wiederholen zwar ihr Dogma, Familien generell und Frauen speziell zu schützen. Dass ihre Äußerungen so nicht unbedingt stimmen, zeigt ein EU-Vergleich der Mutterschutzfristen. Bulgarien (45 Wochen), die tschechische Republik und die Slowakei (je 28 Wochen) liegen an der Spitze. Die EU-Kommission empfiehlt 18 Wochen. In Deutschland sind es derzeit nur 14 Wochen.
Ist Arbeiten wirklich gefährlich?
Mutterschutzfristen greifen erst ab der 34. Woche, wenn das Kind also schon weit ausgebildet ist. Schwangere sollten ohne Frage auch keinen Risiken am Arbeitsplatz ausgesetzt werden, also nicht mit Chemikalien, Röntgenstrahlung oder potenziell infektiösem Patientenmaterial arbeiten. Und sie sollten weder schwer heben noch lange stehen – was sich in einer Apotheke jedoch schwer vermeiden lässt.