Medizinischen Fachgesellschaften zufolge ziehen sich betagte Menschen immer häufiger Frakturen durch Stürze zu. Wer jetzt nur an organische Defizite denkt, übersieht den Einfluss von Medikamenten. Beim Thema Sturzprävention spielen Apotheker die zentrale Rolle.
Wie die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) aktuell berichtet, erleiden rund 700.000 Senioren in Deutschland einen Bruch des Oberschenkels, der Wirbel oder der Arme – Tendenz stark steigend. Orthopäden und Unfallchirurgen erwarten, dass sich die Zahl an Patienten in nächster Zeit verdoppeln oder sogar verdreifachen könnte. Jeder zweite Betroffene ist nach der Therapie auf Pflege unterschiedlichen Ausmaßes angewiesen. Viele Senioren verlieren ihre Unabhängigkeit.
„Die hochbetagten Patienten sind häufig gebrechlich, haben kognitive Einschränkungen und leiden an Herz- oder Niereninsuffizienz“, erklärt Prof. Dr. Ulrich Liener, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Alterstraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). Während Liener vor allem an die Therapie in zertifizierten Alterstraumazentren denkt, stellt sich für Apotheker eine ganz andere Frage: Wie lassen sich Stürze vermeiden? Wer jetzt nur an organische Defizite denkt, übersieht den Einfluss von Medikamenten. Viele Präparate führen zu Schwindel, Gangunsicherheit und letztlich zu Stürzen. Dazu gehören hochdosierte Antihypertensiva wie Candesartan, Telmisartan, Enalapril, Ramipril, Hydrochlorothiazid, Furosemid oder Metoprolol, Propranolol. Sedierende Antidepressiva beziehungsweise Antipsychotika sind ebenfalls mit Risiken behaftet. In diese Gruppe gehören Amitriptylin, Levomepromazin, Melperon oder Mirtazapin. Bei Antikonvulsiva wie Carbamazepin, Oxcarbazepin, Gabapentin, Pregabalin oder Phenytoin sind ebenfalls Bedenken angebracht. Bleiben noch Sedativa wie Bromazepam, Lorazepam, Cinnarizin, oder Dimenhydrinat. Auf der Suche nach Alternativen haben sich die US-amerikanische Beers' List und die deutsche PRISCUS-Liste bewährt. Der Einsatz entsprechender Dokumente wird künftig etwas einfacher. Ab Oktober haben Ärzte und Apotheker die Möglichkeit, Medikationspläne zu erstellen und sich einen Überblick zu verschaffen.
Anat Mirelman aus Tel Aviv hat sich mit der Frage befasst, welche Möglichkeiten es jenseits der optimierten Pharmakotherapie gibt. Sie testete ein spezielles Laufband. Dabei wurden Bewegungen von Probanden per Kamera aufgezeichnet und in eine virtuelle Landschaft übertragen. Senioren mussten sich nun bewegen, ohne über virtuelle Hindernisse zu stürzen. Verglichen mit Training ohne VR-Komponente sankt die Sturzhäufigkeit im Alltag um 42 Prozent.