Seit dem 1. Januar dürfen Mitarbeiter des Finanzamts ohne Vorankündigung in Apotheken Unterlagen sichten. Falls es in der Kassennachschau zu Ungereimtheiten kommen, folgt eine Betriebsprüfung. Wie bereitet man sich am besten vor?
Ab sofort bekommen Finanzämter weitgehende Befugnisse, Apothekenleiter auf Herz und Nieren zu prüfen. Dazu ein Blick in die Abgabenordnung (AO) § 146b Kassennachschau: Mitarbeiter der Finanzbehörden können „ohne vorherige Ankündigung (...) und während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten Geschäftsgrundstücke oder Geschäftsräume von Steuerpflichtigen betreten“. Inhaber müssen ihnen alle benötigten Dokumente aushändigen. Und weiter: „Wenn die bei der Kassennachschau getroffenen Feststellungen hierzu Anlass geben, kann ohne vorherige Prüfungsanordnung zu einer Außenprüfung (...) übergegangen werden.“ Bislang gab es weder konkrete Verwaltungsanweisungen des Bundes noch der Bundesländer. Was vor Ort passieren wird, ist mehr als unklar. Grund genug, sich bestmöglich auf ungebetene Gäste vorzubereiten:
Die Kasse stimmt
Apothekenleiter sollten überprüfen, ob sie tatsächlich alle Vorgänge in ihrem Kassensystem erfassen. Außerdem muss jede Kasse separat kassensturzfähig sein. Das heißt, der Ist-Bestand an Bargeld muss mit dem Sollwert laut EDV übereinstimmen. Passen beide Werte nicht zusammen, bleibt Inhabern nur, dies zu dokumentieren und sich auf die Suche zu begeben. Mögliche Ursachen können Fehler beim Wechselgeld, Pannen beim Abbruch eines EC-Vorgangs oder Barentnahmen ohne Quittung in der Kasse sein. Diebstahl kommt eher selten vor, lässt sich aber nicht ausschließen. Wer öfter Minusbestände hat, läuft Gefahr, dass Behörden eine gewisse Systematik wittern. Das reicht als Anfangsverdacht für detaillierte Betriebsprüfungen aus.
Viel Arbeit für den Fiskus
Mitarbeiter der Finanzämter haben vor Ort noch weitere Möglichkeiten. Sie dürfen Dokumente einsehen, die alle Systeme in der Apotheke beschreiben. Bislang fehlen entsprechende Aufzeichnungen in vielen Betriebsstätten oder sind allenfalls rudimentär im QMS hinterlegt. Das reicht im Zweifelsfall nicht aus. Ein ordnungsgemäßes Dokument umfasst folgende Punkte:
Allgemeine Beschreibung: Bei der Aufbauorganisation geht es um das verwendete Warenwirtschaftssystem mit allen Komponenten, also Hardware und Software. Die Ablauforganisation erfasst Zugriffsberechtigungen und Rechte aller Mitarbeiter. Dass an den Kassen nur mit einem Bediener gearbeitet wird, ist zwar üblich, entspricht aber nicht den fiskalen Forderungen. Ohne Passwörter oder Fingerabdruck-Scanner darf kein System mehr betrieben werden. Die Texte zur allgemeinen Beschreibung müssen vom Inhaber selbst verfasst werden.
Anwenderdokumentation: Hier handelt es sich um das Betriebshandbuch Ihres Warenwirtschaftssystems. Der Hersteller beschreibt, welche Funktionen möglich sind und wie mit seiner Software gearbeitet werden muss. Entsprechende pdf-Dateien gibt es über die Softwarehäuser oder über das Back-End Ihres Warenwirtschafssystems. Der Teil ist also schnell abgearbeitet.
Technische Dokumentation: Auch bei diesem Aspekt können Sie Ihren Anbieter um Hilfe bitten. Seine Zusammenstellung umfasst die Art und die Verknüpfung seiner Datenbanken, Maßnahmen zur Revisionssicherheit (es kann nichts gelöscht werden) oder die Versionierung seiner Software inklusive möglicher Zusatzmodule.
Betriebsdokumentation: Umso mehr Zeit müssen Sie in diesen Teil Ihrer Verfahrensdokumentation investieren. Finanzämter fordern, alle Prozesse in der Apotheke detailliert abzubilden. Soweit nicht schon an anderer Stelle geschehen, sollten alle Hardware-Komponenten und Software-Module beschrieben werden. Bestellung, Abverkauf, Retouren, Faktura Stornierungen oder Inventuren sind ebenfalls darzustellen. In der Vergangenheit gab es beispielsweise Ärger, falls Kunden Fertigarzneimittel vorbestellt und bezahlt, jedoch nicht abgeholt haben. Die Waren landete „aus dem Nichts“ erneut im Warenwirtschafssystem.
Auch Schnittstellen zu weiteren Systemen wie elektronischen Kassenbüchern oder Kommissionierautomaten stoßen auf Interesse. Konzepte zur Datensicherung und zur Revisionssicherheit kommen mit hinzu. Dabei müssen alle Änderungen durch Anwender protokolliert werden. Wer bei Rezepturen Pro-Forma-Rechnungen erstellt, Etiketten ausdruckt und den Vorgang anschließend löscht, wird Probleme bekommen.
Oft ist auch von einem internen Kontrollsystem (IKS) die Rede. Unter diesem Punkt stellen Sie dar, wie Sie Fehler bei Ihren Systemen erkennen, etwa durch Plausibilitätskontrollen Ihrer Zahlen. Um etwaigen Manipulationen einen Riegel vorzuschieben, sollte nur der Chef oder die Chefin vollen Zugriff haben. Alle Angestellten bekommen je nach Tätigkeit eingeschränkte Berechtigungen. Bei jeder Änderung am System müssen Sie Ihr Dokument aktualisieren und mit einer neuen Versionsnummer ablegen. Ohne Historie und ohne Freigabeerklärung (Unterschrift) des Inhabers werden Behörden mittelfristig kaum ihr Einverständnis geben.
Sinn und Zweck der Betriebsdokumentation ist, gegenüber dem Finanzamt zu zeigen, dass alle Daten gegen Manipulationen oder Systemabstürze abgesichert werden.
Reine Chefsache
Halten Sie nach Abschluss aller Arbeiten die Dokumente auf einem USB-Stick bereit. Wichtig: Anders als bei Besuchen durch den Pharmazierat oder Amtsapotheker richten sich steuerliche Prüfungen nur gegen den Inhaber – auch bei Filialapotheken. Eine Vertretung durch Approbierte, wie sie im pharmazeutischen Bereich üblich ist, gibt es bei Finanzämtern nicht. Sollten Chefin oder Chef verhindert sein, müssen sie ihre Angestellten umgehend informieren. Wer im Urlaub weilt, hat Glück gehabt. Dann brechen Mitarbeiter der Behörde ihre Kassennachschau ab. Doch Vorsicht vor faulen Tricks - sich verleugnen zu lassen hilft wenig. Prüfer haben die Möglichkeit, als Kunde getarnt die Apothekenleitung zu erreichen. Vor Beginn ihrer offiziellen Mission müssen sie allerdings per Dienstausweis und per offiziellem Schreiben ihre Tätigkeit legitimieren.