Forscher bestätigen: Wir brauchen die Drei-Tage-Woche. Zumindest wenn du über 40 bist, hast du gute Argumente beim nächsten Mitarbeitergespräch.
Ehrlich gesagt: Vom Traum eines digitalen Nomadenlebens bin ich Lichtjahre entfernt. Ich muss also mein Geld – wie wohl die meisten – durch angestellte Arbeit verdienen. Mit meiner neuen Position seit Juni dieses Jahres bin ich von einer 40-Stunden-Woche noch entfernter als zuvor. Als Chefarzt einer Rehabilitationsfachklinik für Psychosomatik sind Überstunden noch nicht mal bezahlt, aber eben die Regel.
Vorher war ich Leitender Oberarzt einer anderen Klinik, da herrschten schon fast paradiesische Verhältnisse. Ich pendelte und hatte vereinbart, immer von Montag bis Donnerstag in der Klinik zu sein. An zwei Tagen hatte ich nachmittags Bereitschaftsdienst, der meist sehr ruhig war, in einer Kinder-Reha unseres Konzerns. Der freie Freitag war auf jeden Fall großer Gewinn.
Reichlich Burnout, zu wenig freie Zeit?
In der Psychosomatik sind beruflich bedingte Problemlagen ein häufiger Grund für lange Krankschreibungen. Oft deshalb, weil entweder immer weniger Selbstbestimmung bei der Arbeit besteht und damit eine Entfremdung auftritt. Oder aber, die Arbeitszeit ist lang, manchmal wird gependelt und dann kommen noch zusätzliche Pflichten hinzu, wie im Fall von alleinerziehenden Müttern oder bei Personen, die Angehörige pflegen. Und mit über 40 beginnt dann das Alter, in dem die Zuweisungen in unsere Klinik rapide zunehmen.
Kürzlich bin ich auf eine australische Studie gestoßen, die aufgrund von Ergebnissen aus neuropsychologischen Leistungsprüfungen eine Drei-Tage-Woche fordert. Zumindest dann, wenn das 40. Lebensjahr des Arbeitnehmers überschritten ist. Bei der Studie wurde anhand von den neuropsychologischen Tests bei 3.300 Männern und 3.500 Frauen aus Australien ermittelt, ob sich die Arbeitsdauer auf die Leistungsfähigkeit der höheren Handlungsfunktionen des Gehirns auswirkt.
Keine Arbeit ist auch keine Lösung
Nun könnte man meinen, wer sein Gehirn schont und nicht arbeitet oder nicht arbeiten muss, ist gut dran. Rein neuropsychologisch betrachtet ist aber das Gehirn, das wir bei der Arbeit für Selbstmotivation und Handlungsplanung benötigen, eher wie ein Muskel, der trainiert sein möchte. Zumindest aber beschäftigt.
Das erlebe ich auch tagtäglich bei mir in der Klinik. Vorzeitige Berentung, lange Krankschreibung und Arbeitslosigkeit führen dazu, dass die gedankliche Leistungsfähigkeit, die Flexibilität und weitere andere Fähigkeiten rapide nachlassen.
25 Stunden scheinen das Optimum zu sein
Aber durch zu viel Arbeit stirbt man womöglich auch früher. Ab einem bestimmten Arbeitspensum zeigt sich dann nämlich eine umgekehrte U-Kurve: Bei bis zu 25 Stunden Arbeit in der Woche steigert sich die Produktivität in den neuropsychologischen Tests. Bei über 25 bis 55 Stunden in der Woche nimmt sie dann wieder ab.
Fazit: Optimal wären drei Tage bzw. 25 Stunden Arbeit in der Woche. Klingt doch gut, oder ?
Über 55 Stunden ist schlimmer als nichts tun
Gerade Freiberufler, Selbstständige aller Art und eben wir Ärzte arbeiten mehr als dem Menschen gut tut. Alleinerziehende Mütter arbeiten beispielsweise streng genommen 93 Stunden in der Woche (hier bietet sich die Möglichkeit für einen Beitrag eigens zu diesem Thema). Auf jeden Fall: 55 Stunden und mehr ist noch schlimmer für das Gehirn und seine Leistungsfähigkeit als das Nichtstun. Besonders, wenn man außer Arbeit gar keine anderen Lebensinhalte mehr hat.
Arbeit kann also stimulierend wirken oder aber zu viel sein. Fast wie eine Droge, die wir nicht kontrollieren können. Weniger wäre also für die meisten von uns mehr.
Welche Strategien nutzt ihr, um weniger zu arbeiten und mehr zu leben?