„Wo bleibt das Kundengeschenk?“ „Ist der Chef immer so geizig?“ „Wo ist mein Taschenkalender?“ Bei einigen Kunden werde ich das Gefühl nicht los, dass eine Verwechslung vorliegt: Meine Kollegen und ich sind keine Weihnachtselfen in der Geschenkefabrik sondern Apotheker.
Gerade in diesen Tagen, an denen es kalt ist und früh dunkel wird komme ich immer in eine heimelige, kuschelige Stimmung. Ich „entschleunige“ wie es heutzutage so schön heißt und bin dankbar für mein warmes Zuhause, meinen Arbeitsplatz und für jedes nette Wort.
Dass ich damit offenbar leider eher antizyklisch zu den in Weihnachtsstress stehenden Personen lebe, das habe ich schon oft bemerkt. Aber dieses Jahr empfinde ich meine Stimmungslage als ganz besonders krassen Gegensatz zu dem, was offenbar viele Kunden leben.
„Kalender“ sind inzwischen schon beinahe zum Reizthema geworden, denn wir als Apotheke machen da scheinbar alles falsch, was man falsch machen kann. Unser Chef hat dieses Jahr Kalender – man höre und staune – nur in einer einzigen Ausführung gekauft, welch Frevel! Wir haben NUR die schmalen langen, in die man etwas hinein schreiben kann. Es fehlen die breiten mit großem Bild, die Kalender mit Spiralbindung, die Taschenkalender und die Tischkalender.
Das führt bei der Frage „Darf ich Ihnen einen Kalender anbieten“ unweigerlich zur nächsten Unverschämtheit unsererseits: Wir meinen das mit dem einen Kalender wörtlich. Sicher kann ein Kunde auch noch einen für die bettlägerige Mutter mitnehmen, aber eben nicht einen für die Toilette, einen für die Küche und einen fürs Wohnzimmer. Statt sich also über das Geschenk zu freuen, blicken wir quasi bei jedem zweiten Kunden in ein unglückliches Gesicht und hören statt eines Dankeschöns etwas wie „Was soll das heißen, ich bekomme keine drei?“, „Warum kann man da die Seiten nicht umklappen?“, „Wo ist denn MEIN Taschenkalender, den ich immer bekomme?“.
Und danach kommt noch die Frage nach dem Weihnachtsgeschenk für die Kunden. Es reicht wohl nicht, heißen Holunder auszuschenken, Weihnachtskekse anzubieten, 5 verschiedene Kundenzeitschriften auszulegen, einen kostenfreien Kalender mitzugeben, Nikolaustüten zu verteilen, Arzneimittel per Boten auszufahren und nebenher auch noch kompetent und umfassend über Arzneimittel zu beraten. Nein. Letztens hat sogar ein Kunde gefragt, ob unser Chef immer so geizig sei. Ich habe freundlich lächelnd gefragt, was er dieses Jahr von seinem Arzt geschenkt bekommt, oder vom Supermarkt, wo er jeden Monat hunderte von Euro hinträgt. Wenn ich innerlich nicht gerade so entspannt wäre, könnte ich mir für so manchen Kalender einen Ort vorstellen, wo ich ihn hinstecken möchte.