Patienten fordern Fakten. Sie wollen wissen, was man tun kann, damit es ihnen besser geht. „Man“ bedeutet für gewöhnlich wir Mediziner und „Fakten“ kommen häufig nicht besonders gut an. Vor allem dann nicht, wenn nur der Patient selbst seine Lebensqualität verbessern könnte.
Paula steht vor mir. Sie ist eine gute Bekannte und hat sich den Radius gebrochen. Sie wurde vor zwei Wochen operiert (nicht in meiner Klinik) und der Unterarm ist blau, grün und gelb. Es ist noch etwas geschwollen und die Beweglichkeit ist, auch schmerzbedingt, eingeschränkt. Die Wunde ist reizlos verheilt, sie geht zur Physiotherapie, der Heilungsprozess ist im Gange. Natürlich ist sie etwas ungeduldig. Es ist ihre rechte Hand, sie kann nicht besonders gut schreiben und sie darf sechs Wochen keine schweren Sachen tragen.
„Also ich verstehe das nicht. Dass das immer noch so schmerzt. Ich muss immer noch eine Schmerztablette nehmen. Vor allem abends geht es noch nicht ohne. Die im Krankenhaus haben gesagt, sie kriegen das wieder hin. Aber bisher glaube ich nicht wirklich daran. Ich hoffe doch sehr, dass bei der OP nichts schief gegangen ist.“
„Paula, die Röntgenbilder sehen tadellos aus. Der Heilungsverlauf ist absolut zeitgerecht. Du brauchst leider etwas Geduld.“
So gut wie vorher wird es nie
Als ich sie nach zwei Monaten wieder sehe, beklagt sie sich bei mir.
„Ich kann eigentlich alles wieder machen, aber einige Bewegungen sind immer noch eingeschränkt. Ich werde das Handgelenk nie mehr so gut bewegen können, wie vorher. Ich habe keine Schmerzen mehr und es ist auch gut verheilt, aber diese Klinik kann ich wirklich nicht weiter empfehlen. Ich hatte echt Vertrauen, aber so gut wie vorher ist es wirklich nicht wieder geworden.“
„Ja, der Unterarm war ja auch gebrochen. Wenn du es so haben möchtest wie vorher, darfst du ihn dir nicht brechen.“
Sie blickt mich erstaunt an. „Warum bist du denn so aggressiv? Das ist ja wirklich nicht einfühlsam.“
Einfühlsam? Das ist ehrlich. Den Patienten zu erzählen, es wird wie vorher, ist falsch. Ein realistisches Bild zu schaffen, gehört zu einer präoperativen Aufklärung dazu.
Warum nicht einfach mal die Wahrheit sagen?
An diesem Tag habe ich von falschen Vorstellungen wirklich genug. Und auch von abgegebener Verantwortung – die paart sich bei einigen Patienten auf unangenehme Art mit der oben beschriebenen Ungeduld. Den ganzen Tag war ich in der Sprechstunde des Chefarztes gefangen. Dienstleistung auf hohem Niveau. Spritzen, infiltrieren, operieren, kaufen und verkaufen. Gerne hätte ich mir auf manche der Patientenfragen eine ehrlichere Antwort gesehen.
„Wie wäre es, wenn Sie schwimmen und spazieren gehen? Den Kuchen weg lassen und mindestens 20 kg abnehmen?“
„Dann bewegen Sie sich doch mehr!“
„Dann tragen Sie keine Pumps.“
Den Patienten die Verantwortung abzunehmen, hilft nicht. Sie schafft Passivität und Vorstellungen, die nicht der Realität entsprechen.