Bei Tumor-Operationen im kleinen Becken kann es zu Verletzungen des regionalen Nervengeflechts kommen. Nicht nur Stuhl- und Harninkontinenz sind die Folge, auch Störungen der Sexualfunktionen. Ein Gerät zur Messung der Nervenfunktion könnte Abhilfe schaffen.
In Österreich werden rund 600 Personen pro Jahr wegen eines Tumors am Rektum operiert. Allein im AKH Wien bzw. an der MedUni Wien werden jährlich rund 100 Operationen in diesem Bereich vorgenommen. Rund 1900 weitere Eingriffe finden in diesem Zeitraum wegen einer Krebserkrankung im Urogenitalbereich statt. Diese Operationen im kleinen Becken können zu kurz-, mittel- oder langfristigen Irritationen des Nervengeflechts führen. Die Folgen sind Stuhl- und Harninkontinenz sowie Störungen der Sexualfunktionen: bei Männern etwa Erektionsprobleme, bei Frauen Trockenheit der Scheide oder Rückgang des Schwellvermögens im Genitalbereich oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr.
„Nervenverletzungen in dieser Region können die Lebensqualität massiv vermindern. Wir arbeiten daher ständig an der Verbesserung unserer Operationstechniken. Erste Tests mit einem Gerät, das vor, während und nach dem operativen Eingriff die Funktion der Nerven misst, zeigen vielversprechende Ergebnisse. In einem ersten Schritt setzen wir das Gerät nun bei Tumoroperationen im Bereich des Rektums ein,“ so Béla Téleky, Experte für Darmchirurgie an der Universitätsklinik für Chirurgie der MedUni Wien und des AKH Wien.
Der Grund, warum es häufig zu Schäden kommt, ist, dass die Region des kleinen Beckens sehr eng ist und der Operateur Nervenbahnen oft nur schlecht erkennen kann, weil sie verdeckt liegen. Mit Hilfe des Geräts, das seit kurzem im Einsatz ist, können Nerven mittels elektrischer Stimulation messtechnisch erfasst und eine Landkarte des Nervengeflechts und seines Verlaufs erstellt werden. Der Vorgang wird als „Neuromapping“ bezeichnet. Es kann vor der Operation erhoben werden, ob bereits Störungen der Nervenfunktion vorliegen, die z.B. von Vorbehandlungen mit Chemo- oder Strahlentherapie, Entzündungen, Tumor-Wachstum oder Metastasen verursacht wurden. Damit kann die OP exakter geplant bzw. Therapieentscheidungen vorab getroffen werden.
Man kann außerdem besser abschätzen, ob etwa eine Vorschädigung oder eine Verletzung des Schließmuskels einen künstlichen Darmausgang nötig macht, um Lebensqualität oder gar das Leben zu erhalten. Dieser kann dann im Zuge der OP gleich hergestellt werden, womit den Patienten ein zweiter Eingriff erspart bleibt. Während der OP ermöglicht das Gerät die Nervenüberwachung, wodurch Folgeschäden minimiert werden, und nach der OP können der Erhalt bzw. das Ausmaß der Funktion geprüft werden. Die Überprüfung der Nervenfunktion erfolgt durch Sonden, so dünn wie Akkupunkturnadeln, die die Nerven stimulieren oder Kontraktionen der Muskeln von Blase und Schließmuskel messen. Eine Grafik auf einem Monitor macht die Nerven sichtbar und akustische Signale belegen ihre Stimulation und Ansprechen.