Diagnosen bieten Vorteile: als Antwort auf die Patientenfrage "Was hab´ ich?", als Grundlage für Therapieempfehlungen, als Multiple-Choice-Option bei Mediziner-Prüfungen, als Einteilungskriterium bei Studien... Diagnosen bieten aber auch Gefahren - besonders bei einer so heterogenen Erkrankung wie COPD.
Die vielen Gesichter der COPD
Mit diesem Motto lenkt der Welt-COPD-Tag am 15.11.2017 den Blick auf drei Aspekte, die untrennbar miteinander verknüpft sind:
"Die" COPD gab es noch nie!
Erinnern Sie sich noch an "Blue Bloater" und "Pink Puffer" aus dem Netter-Atlas? Heute identifiziert die P4-Medizin (präventiv, personalisiert, präzise, partizipativ) mindestens sechs "Mitspieler" bei der Pathophysiologie der COPD:
"Treatable traits" als Zielscheiben der Präzisionsmedizin bei COPD?
"Treatable traits" bei COPD werden in drei Kategorien eingeteilt:
"Treatable traits" sind ein Diskussionsbeitrag zur P4-Medizin und können möglicherweise zur Entwicklung individueller Therapiealgorithmen dienen.
Ziel dieses Ansatzes: eine passende Behandlungsempfehlung für jedes einzelne "Gesicht" der COPD.
Jede COPD hat auch ihre eigene Geschichte.
Die natürliche Krankheitsgeschichte der COPD wird üblicherweise im Zusammenhang mit Zigarettenrauch, anderen Inhalationsstoffen und einer gestörten Lungenentwicklung erzählt. Allerdings spielen die individuelle Entzündungsreaktion und die unterschiedliche Symptombelastung offensichtlich ebenso wichtige Rollen für der Verlauf der Krankheit.
Das EASI-Modell berücksichtigt diese dynamisch zusammenwirkenden Faktoren:
Das Zusammenspiel zwischen diesen Faktoren variiert bei einzelnen Patienten im Verlauf der Krankheit und zwischen Patienten gleichen Alters und zeichnet so ein individuelles "Gesicht" der COPD. Außerdem erlauben die vier Faktoren Aussagen zu wichtigen Konzepten wie Anfälligkeit für COPD, Krankheitsprogreß, Symptomwahrnehmung und -verarbeitung.
Ziel dieses Ansatzes: eine genaue Aussage über den Wandel im jeweils individuellen "Gesicht" der COPD.
Jeder Patient hat "seine" COPD.
Das ist eine Erkenntnis, die im Klinikalltag häufig zu wenig beachtet wird. Wenn die beiden oben beschriebenen Ansätze dazu führen, daß neben molekulargenetischen auch verhaltensmedizinische Konzepte (wie subjektive Krankheitstheorie, Coping, Embodiment, u.s.w...) in Diagnose, Therapie und Forschung stärker berücksichtigt werden, dann hat der diesjährige Welt-COPD-Tag sein Ziel erreicht: aufmerksam zu machen auf "die vielen Gesichter der COPD".