Frauen, die an Epilepsie leiden, haben trotz Kinderwunsch oft Angst, schwanger zu werden. Sie fürchten sich vor Anfällen und embryonalen Fehlbildungen durch Medikamenteneinnahmen. Die gute Nachricht: Wer an Epilepsie leidet, darf schwanger werden.
Hier als erstes die zwei wichtigsten Nachrichten:
In der Epilepsieambulanz sehe ich mich häufig mit schwangeren Patientinnen oder jenen, die planen schwanger zu werden, konfrontiert. Ich empfehle allen Frauen mit einer Epilepsie, vor Planung einer Schwangerschaft einen Neurologen oder eine spezielle Epilepsie-Sprechstunde aufzusuchen. Insbesondere sollte geschaut werden, ob eine Umstellung der antiepileptischen Medikation sinnvoll ist oder eine Anpassung der entsprechenden Medikation erfolgen muss. Außerdem empfehle ich den Patientinnen aufgrund des Folsäuremangels durch Enzyminduktion, Folsäure in hoher Dosis (5 mg) bereits einige Monate vor Schwangerschaftsbeginn einzunehmen.
Therapiestrategien vor/in der Schwangerschaft
Bezüglich der medikamentösen Behandlung gilt bei Epilepsiepatientinnen, die schwanger werden wollen, der Grundsatz: Anzustreben ist eine Monotherapie mit einem Präparat in möglichst niedriger Dosierung. Sollte dies nicht möglich sein, sollte versucht werden, wenige unterschiedliche Präparate gleichmäßig über den Tag verteilt einzusetzen, um die Blutspiegelspitzen gering zu halten. Eine Monotherapie mit Valproat oder eine Kombination aus Valproat und Carbamazepin sollte vermieden werden. Das oberste Ziel sollte die Anfallsfreiheit sein. Außerdem sollte nach Eintreten der Schwangerschaft die bestehende Therapie nicht mehr geändert werden.
Wir monitorieren die Patientinnen alle vier Wochen und bestimmen hierbei die Blutspiegel der Antiepileptika. Der Spiegel einiger Medikamente, z.B. Lamotrigin und Levetiracetam, sinken im Laufe der Schwangerschaft durch ein verändertes Verteilungsvolumen. Hierauf reagieren wir mit einer Anpassung der Dosis, um das Anfallsrisiko zu minimieren. Nach der Schwangerschaft sollten ebenfalls regelmäßige Kontrollen der Medikamentenspiegel erfolgen, um die Dosis langsam wieder anzupassen.
Fehlbildungsrisiko
Eine weitere Sorge der Frauen vor oder während der Schwangerschaft ist das Risiko von Fehlbildungen. Tatsächlich ist das Risiko für kleinere und größere Fehlbildungen bei Kindern epilepsiekranker Mütter um das zwei- bis dreifache erhöht – ursächlich hierfür ist eine Kombination aus genetischen Faktoren und embryotoxischen Effekten der Medikamente. Zu den kleineren Fehlbildungen gehören Dysmorphien des Gesichts, zum Beispiel ein erweiterter Augenabstand, oder verkürzte Fingerglieder. Größere Fehlbildungen sind definiert als Fehlbildungen, die einen chirurgischen Eingriff bedeuten (beispielsweise Herzfehler). Unter Carbamazepin und Valproinsäure kann ein offener Rücken häufiger auftreten, als es in der Normalbevölkerung zu erwarten wäre. Hohe Blutspiegelspitzen sind mit dem Auftreten des offenen Rückens korreliert, sodass empfohlen wird, die Dosis von Valporat, wenn es eingenommen werden muss, auf eine retardierte Form umzustellen und gleichmäßig über den Tag zu verteilen.
Wir empfehlen aufgrund des erhöhten Fehlbildungsrisikos die Durchführung einer pränatalen feindiagnostischen Ultraschalluntersuchung in der 20. Schwangerschaftswoche.
Vererbung
Außerdem eine gute Nachricht: Das Risiko, eine Epilepsie weiter zu vererben, ist eher gering ist. 3–5 % der Kinder von Eltern, die an einer Epilepsie leiden, entwickeln selbst eine Epilepsie im Vergleich zu 1 % der Kinder von nicht erkrankten Eltern.
Dank des EURAP Schwangerschaftsregisters sind sehr viele Informationen zu antiepileptischer Therapie und schwangeren Frauen zusammengetragen worden. Wir fragen alle schwangeren Patientinnen, ihren Schwangerschaftsverlauf ebenfalls monitorieren zu dürfen und anonym an das Register weiterzuleiten, sodass wir hoffen, zukünftig noch mehr Informationen und Daten zu gewinnen.
Glückliches Ende
Und zum Abschluss noch eine kleine Geschichte aus meiner Ambulanz: Letztens habe ich eine Patientin betreut, die leider in der 28. SSW einen Status epilepticus entwickelt hat und intensivmedizinisch betreut werden musste. Zusätzlich zu der normalen antiepileptischen Medikation wurde aus diesem Grund ein Benzodiazepin hinzugenommen. Die weitere Schwangerschaft verlief komplikationslos. Das Baby kam gesund und munter auf die Welt.
Literatur: