Opa ist nicht mehr so mobil wie früher. Früher konnte er stundenlang mit dem Hund gehen. Über Felder, über Wiesen, über Stock und Stein. Heute muss Oma mit dem Hund gehen. Weil Opa es nicht mehr schafft. Er sagt, die Beine werden schwach und kribbelig, er hat keine Kraft mehr in den Beinen, sie tun weh, er kann sich nicht mehr richtig darauf halten und hat Angst zu stürzen deswegen.
Immerhin wird es schnell besser, wenn er sich hinsetzt, da kann man richtig merken, wie das Gefühl zurückkommt. Am besten, wenn er sich noch nach vorne neigt. Danach kann er auch wieder gut eine Weile gehen. Nur mag das der Hund so nicht und geht deswegen direkt lieber mit Oma.
Das Problem
Was genau ist aber denn jetzt Opas Problem? In unserem Beispiel leidet er an einer Enge des Wirbelkanals, einer sogenannten Spinalkanalstenose. Wenn man die Wirbelsäule im Querschnitt sieht, laufen da gebündelt die Nervenfasern durch, die die unteren Extremitäten versorgen.
Kommt es zu einer relevanten Enge, dann können die Nerven laienhaft gesagt nicht mehr richtig „funktionieren“ und die unten ankommenden Informationen werden zu wenig, bruchstückhaft oder ganz abgestellt. Dies ist meist eine langsame, schleichende Entwicklung. Der Patient hat nicht von jetzt auf gleich eine stark reduzierte Gehstrecke und auch plötzliche Lähmungen sind eine Seltenheit. Die Verminderung der Gehstrecke bezeichnet man auch als Claudicatio spinalis-Symptomatik, bekannt ist sie auch als Schaufensterkrankheit. Davon gibt es auch eine durch Durchblutung ausgelöste Variante, die nicht mit der spinalen zu verwechseln ist. Tatsächlich können bei einem Patienten aber auch beide vorhanden sein.
Symptome
Typisch ist die vom Opa beschriebene Gehstreckenverkürzung, bei der es typischerweise nach einer reproduzierbaren Strecke zu denselben Beschwerden kommt. Hinsetzen hilft meist gut, insbesondere, wenn der Betroffene sich nach vorne neigt (Rundrücken = Entlastung der Spinalnerven). So können sich die Nerven erholen und er danach auch wieder ein Stück gehen. Während die Patienten oft keine 600 m ohne Schmerzen gehen können, schaffen es die meisten aber noch problemlos viele Kilometer zu radeln. Auch Einkaufen am Wagen oder Rasenmähen (Rundrücken durchs Abstützen) ist oft problemlos möglich.
Die Schmerzen sind nicht unbedingt einem Nervengebiet/Dermatom zuzuordnen und oft eher diffus. Manchmal sind nur eine, manchmal mehrere Etagen der Wirbelsäule mit einer Enge betroffen. Es kann sich um Schmerzen oder Empfindungsstörungen oder die Kombination beider handeln, die Symptome können ein- oder beidseitig auftreten. Eine eigentliche Rückenschmerzsymptomatik besteht meistens nicht, die Beschwerden spielen sich im Bereich der Beine ab. Nur ca. 5% der Menschen mit Spinalkanalstenose haben eine rein lumbale Symptomatik und sind insgesamt mit einer schlechteren Prognose, was die Schmerzlinderung angeht, behaftet als die klassische Claudicatio spinalis (Enge).
Ursache
Es handelt sich meist um eine verschleißbedingt erworbene sukzessive Einengung des Wirbelkanals. Ursächlich können Verdickung des sogenannten gelben Bandes über dem Kanal sein (Hypertophie des Ligamentum flavum), eine Verplumpung und damit Ausweitung der kleinen Wirbelgelenke (Spondylarthrose) oder verschleißbedingte Annäherung der Wirbelkörper aneinander. Manche Menschen haben auch anlagebedingt einen eher engen Kanal und wenn es dann z.B. zu einem Bandscheibenvorfall oder einer –vorwölbung kommt, verstärkt sich diese relative Enge.
Angeborene Spinalkanalstenosen findet man bei Patienten mit einer bestimmten Art von Kleinwuchs (Achondroplasie).
Diagnose
Man kann die Enge mit einer MRT-Untersuchung problemlos diagnostizieren. Eine konventionelle Röntgenaufnahme gibt zugleich Aussagen über die Statik und ggf. andere bestehende Probleme (wie eine ausgeprägte Skoliose). Teilweise sind auf dem MRT-Bild nur noch wenige Millimeter Platz zu erkennen. Trotzdem haben die Patienten nicht unbedingt starke (oder überhaupt) Probleme oder Einschränkungen. Dies beweist einmal mehr, dass die Beschwerden und Bilder sehr individuell gesehen werden müssen. Das Ausmaß der Enge korreliert auch nicht mit der verbliebenen Gehstrecke.
Therapieoption 1: PRT
Was tun? Anders als bei der gefäßbedingten Schaufensterkrankheit (paVk) kann man in diesem Fall die Gehstrecke nicht durch ein Gehtraining erhöhen. Man kann Krankengymnastik, Massagen und physikalische Maßnahmen versuchen, letztlich sind diese in ihrer Wirkung aber eingeschränkt, denn sie können nichts am engen Kanal ändern.
Man kann lokale Spritzen direkt an den Nervenkanal als epidurale Infiltration (PRT) mit einem Betäubungsmittel und Cortison versuchen. Das ändert natürlich auch nichts an der Enge aber zumindest an der Art und Weise, wie die betroffenen Nerven die Enge verarbeiten. Oftmals sind die Patienten dadurch lange Zeit beschwerdefrei. Diese Therapie kann auch wiederholt werden.
Therapieoption 2: Operation
Sollten die konservativen Methoden nicht ausreichen, muss bei entsprechendem Leidensdruck über eine operative Therapie nachgedacht werden. Diese sogenannte Undercutting Decompression beinhaltet eine Erweiterung des Kanals. Der Tunnel, wo vormals nur ein Mini durchpasste, wird so groß gemacht dass nun ein Bus durchkommen kann.
Dazu kann man das gelbe Band resezieren oder die Wirbelgelenke verschmälern. Meist ist es eine Kombination aus beidem. Man erhält Stabilität sowie Mobilität und verbessert die Gehstrecke. Im Optimalfall ist der Patient wenige Tage nach der OP wieder mobil. Nach ein wenig Training auch wieder viele Kilometer. Die Operation an sich dauert zwischen 60 und 180 Minuten, je nachdem, wieviele Etagen betroffen sind.