Ein sicherlich sehr seriös arbeitendes Fernsehformat sucht mittels Kleinanzeige (!) einen „Aussteiger“ aus der Apothekenszene, der für ein angemessenes Gehalt bereit ist, seine (Ex)-Arbeitskollegen oder Chefs zu verpfeifen. Der Original-Wortlaut:

Da kann man sich doch jetzt schon in etwa vorstellen, wer sich dort meldet: Vielleicht ein Fahrer eines Pharmazeutischen Großhandels, der einmal einen Hund hinter dem HV gesehen hat. Vielleicht eine PKA, die entlassen wurde und ihren Ärger gegen Apotheker im Allgemeinen einmal loswerden will. Vielleicht eine PTA, die von einer Apothekerin in der Rezeptur von oben herab behandelt wurde und jetzt gerne einmal vom Leder zieht. Vielleicht ein Apotheker, der den eigenen Laden schließen musste und den Ex-Konkurrenten auf diese Art noch einen mitgeben will. Vielleicht auch jemand, der eigentlich gar nichts mit der Apotheke zu tun hat, den aber der Satz mit der guten Bezahlung lockt.
Zu viele Zuschauer glauben alles
Die- oder derjenige wird dann vermutlich als Schatten im Halbprofil zu sehen sein, und mit verzerrter Stimme seine/ihre Geschichte erzählen, während 90 Prozent der Zuschauer glauben, es sei die pure Wahrheit und in allen Apotheken liefe das gleich ab.
Es ist gelinde gesagt zum Brechen, wie mal wieder ein ganzer Stand in den Dreck gezogen werden soll. Hauptsache ist doch, dass Quote gemacht wird und dass 99 Prozent der Apotheken in der Rezeptur NICHT pfuschen, sondern so sorgfältig arbeiten, wie es nur geht. Das interessiert aber niemanden.
Kritischer und unabhängiger Jounalismus geht anders
Wer von Beginn an vorhat, ein Thema nur von einer Seite zu beleuchten, der fängt das genau so an wie im Beispiel oben. Will man wirklich recherchieren, ob etwas im Argen liegt, würde ich erwarten, dass grundsätzlich breit gestreut gefragt wird: „Wer arbeitet in einer Apotheke im Labor/Rezeptur und möchte anonym etwas darüber erzählen?“
Wenn es sich dann während der Befragung ergibt, dass vermehrt von Verstößen berichtet wird, dann ist es auch tatsächlich berichtenswert. Wenn man aber auf einer Kleinanzeigenseite jemanden sucht, der gegen gute Bezahlung etwas Negatives über Apotheken erzählt, gefällt mir die Art und Weise der Berichterstattung gar nicht.
Bei anderen Themen wäre der Aufschrei groß
Würde man z.B. einen Bericht über die Integration von Syrern in Deutschland drehen wollen, so wäre der richtige Ansatz, zu Organisationen zu gehen, die sich darum kümmern. Dort würde man die Menschen auf beiden Seiten zu diesem Thema befragen, um ein realistisches Bild der Lage zu bekommen. Stellt man aber auf einer Kleinanzeigenseite die Frage „Wer kann mir anonym erzählen, wie er von einem Syrer sexuell belästigt wurde? Es gibt ein gutes Honorar für jeden Bericht!“ – würde der Fernsehbeitrag wirklich die Realität abbilden?
Ein solches Vorgehen ist genau so seriös wie Herrn Glaeskes Ampelmännchen. Aber das ist wieder ein anderes Thema …