Nachdem in anderen Medizinblogs immer wieder der eine oder andere coole und außerdem dramatische Reanimationsbericht erzählt wird, bei denen ich dann beeindruckt und zustimmend nicke, wollte ich auch mal so einen Bericht verfassen.
Also: Es war Nacht und eine ruhige Nacht außerdem. Gerade erzählte ich Herrn Bo-Mimikri, dass sein Ohr auch durch dieses Otoskop total normal aussähe. Da rief der Notarzt an. Er habe gerade einen Patienten mit schwerem Herzinfarkt eingesammelt. Plonk, landete das Notarzt-EKG in unserem In-Faxfach.
„Jaja, ein schwerer Herzinfarkt“, stimmte ich zu und orderte von der Pforte einen Kardiologen mitsamt Herzkatheter-Team. Alles lief super. Kardiologe und Herzkatheterschwester fielen unverzüglich aus ihren Betten. Knapp eine Viertelstunde später kam der Rettungsdienst auch schon blinkend die Klinikeinfahrt herein.
Wir winkten die Besatzung sofort zum Herzkatheter durch. Notarztübergabe, Umlagern des Patienten: Herr Blaum, 50 Jahre. Der Kardiologe klärte den Patienten kurz auf, die Katheterschwester deckte alles steril ab.
Im Vorraum des Katheterraums füllte ich schon mal die Aufnahmepapiere aus und meldete Herrn Blaum gleich auf der Intensivstation an. Auf den zahlreichen rumstehenden Computermonitoren sah ich, wie der erfahrene Kardiologe in kürzerster Zeit jenes Blutgefäß lokalisierte, das am schlimmsten verschlossene war und es wieder eröffnete. Es saß der Stent zum Offenhalten des Gefäßes, da überlegte ich, ob diese Blutdruckmessung gerade falsch maß oder ob der Patient wirklich so einen niedrigen Blutdruck hatte.
„Frau Zorgcooperations, können Sie mal eine Röntgenschürze anziehen und reinkommen?“
Noch während ich mir die schweren Röntgenschürze irgendeines abwesendes Kardiologen auslieh, löste der Kardiologe den Renanimationsnotruf aus. Ich stolperte röntgengeschützt in den Raum, um dann live mitanzusehen, wie sich Herr Blaums Pulsschlag auf 5 pro Minute verlangsamte und dann in eine Nulllinie überging.
Schnell einen Schemel an den hohen Kathetertisch und wir begannen zu reanimieren. Schwester Monika drückte, ich besorgte einen Ambu-Beutel zum beatmen. Jetzt ging auch auf allen meinen Telefonen der Notruf ein, der über die Zentrale ausgelöst worden war. Im wilden Piepsen erreichte uns nun der Rest des Notfallteams: Der Anästhesist und sein Komplize, der Anästhesiepfleger.
Übergabe. Ich brachte alle Telefone zum Schweigen und übernahm das Drücken. Der Reanimationsschemel war zu hoch, aber ohne ist der Tisch zu hoch. Die Röntgenschürze war sauschwer, schützte aber meine Eierstöcke zum Wohle potenzieller Kinder. Der Röntgenbogen an sich war sowieso allen im Weg, konnte aber nicht auf die Seite, weil der Kardiologe Bilder brauchte, um den Stent zu überprüfen.
Der Anästhesie wickelt sich am Röntgenbogen vorbei. Ein besserer Beatmungszugang sollte her. Sein Komplize reichte an, der Patient erbrach jetzt Blut. Die anästhesiologische Fraktion fluchte unkontrolliert, der Kardiologe auch und wenn ich nicht so nach Atem gerungen hätte, hätte ich auch geflucht.
Egal, der Tubus saß nun endlich. Der Anästhesist beschloss, dass er noch einen venösen Zugang brauchte, aber an einem kreislaufinsuffizienten Patienten bekommt man sowas nicht so einfach hin. Der Kardiologe wiederum hörte uns gar nicht zu und röntgte in unseren Beatmungspausen, um zu sehen, ob noch was am Stent zu optimieren sei.
Der Anästhesie knallte jetzt eine große Kanüle in eine Halsvene. „MAN, wir haben doch schon einen zentralen Zugang über die Schleuße an der Leiste“, schrie Schwester Monika, die das irgendwie unauffällig organisiert hatte.
Naja, jetzt hatte der Patient halt drei Zugänge. Der Anästhesist war nun frustriert. Der Kardiologe auch. „Hören Sie mal kurz auf zu drücken!“, schrie er nun, weil er sonst kein unverwackeltes Bild bekam. Der ganze Reanimationsalgorithmus war irgendwie am Arsch. Der Anästhesie-Komplize löste mich beim Drücken ab.
Inzwischen hatte sich unser Defibrillator diskonnektiert. Auch wenn wir gerade nicht defibrillierten, vielleicht wollten wir das ja in Kürze. Folglich kroch ich wild zwischen Personen, Untersuchungstisch und Röntgenbogen umher und zerrte an den beteiligten Kabel. Irgendwie ging die Übertragung des EKGs dann wieder. Der Kardiologe trat nun frustriert vom Tisch weg. Der Stent saß, mehr konnte er nicht tun. Aber die Herzkranzgefäße waren in einem insgesamt schlechten Zustand. Den Rest musste Herr Blaums Herz nun selber schaffen.
Wir taten weiter, was wir konnten. Röntgenbogen beiseite, mehr Adrenalin. Drücken. Eine Dreiviertelstunde vergeht. Wir gingen alle Gründe durch, die noch zum Kreislaufstillstand beitragen könnten. Aber da gab es nichts. Wir hörten nach einer Stunde auf. Herr Blaum war tot.
Der Kardiologe würde persönlich zu den Angehörigen gehen, die draußen warteten und die schlechte Nachricht überbringen. Ich warf alle meine Aufnahmepapiere und Pläne weg. Die Nachschwester half mir, ein Bett für Herrn Blaum zu besorgen und ein ruhiges Plätzchen im Verabschiedungsraum.
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