Migräne ist nicht gleich Migräne. Es gibt viele verschiedene Formen und eine davon ist die Migräne-Aura ohne Kopfschmerz. Davon betroffen sind angeblich nur wenige, so steht es zumindest in der Fachliteratur. Mein Eindruck ist aber ein anderer.
Wie sich die Migräne-Aura ohne Kopfschmerz aus der Sicht eines Patienten anfühlt, kann man im ersten Teil nachlesen. Im zweiten Teil geht es um Fakten zur Migraine sans migraine, wie sie auch häufig genannt wird.
Es gibt zwei Erklärungenmodelle zur etymologischen Ableitung von Migräne
1. griechisch „hemikrania (hemi = halb, Kranion = Schädel) 2. lateinisch „migrare“ (wandern)
Aura leitet sich von „Aurora“ ab, der griechischen Göttin der Morgenröte.
Ich möchte mich in diesem Artikel ausschließlich mit der Migräne-Aura ohne Kopfschmerz beschäftigen, die auf den Migräne-Informationsseiten im Netz und in der Fachliteratur meist eine eher untergeordnete Rolle spielt.
Ist Migraine sans migraine wirklich so selten?
10-15 % der Bevölkerung leiden unter Migräne, Frauen deutlich häufiger als Männer. Davon haben 10-30 % eine Migräne mit Aura. Wie viele davon widerum eine Migräne mit Aura ohne Kopfschmerzen haben, divergiert zwischen 10-40 %. Es findet sich in der Literatur häufig die Angabe, dass eine Aura ohne Kopfschmerz selten sei und primär Männer betreffe oder ältere Patienten, deren Migräne sich im Laufe der Jahre zu einer isolierten Aurasymtomatik gewandelt habe.
Meine klinische Erfahrung ist eine andere und Ich könnte mir vorstellen, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist, da die Symptomatik nur vorübergehend andauert und häufig kein Arzt aufgesucht wird. Da eine isolierte Aura auf den ersten Blick nicht immer von einer transitorisch ischämischen Attacke (TIA) und damit einer Durchblutungsstörung des Gehirns mit passageren neurologischen Ausfällen zu unterscheiden ist, landen einige Patienten mit ihren Beschwerden auf der Schlaganfallstation.
Was während einer Migräneaura passiert
Eine Migräne-aAra ist eine im Schnitt 15-30 bis maximal 60 Minuten anhaltende, langsam in ihrer Intensität zunehmende und dynamische neurologische Störung. Sie ist ganz vielgestaltig und kann sich in folgenden Bereichen äußern:
90% aller Auren sind visuell. Dabei breitet sich die Sehstörung typischerweise vom Rand des Gesichtsfeldes kontinuierlich aus.
Nach Beendigung der Aura setzt kein Kopfschmerz ein wie bei der klassischen Migräne, manche Patienten berichten über einen anschließenden leichten Kopfdruck.
Wie funktioniert das?
Man hat in Funktionsaufnahmen des Gehirns nachweisen können, was im Kopf passiert, wenn der Patient ein Flimmerskotom sieht: An einem Punkt der Hirnrinde passiert spontan eine Entladung der Nervenzellen, die wie eine elektrische Welle über die Sehrinde rollt. Dies nennt man „cortical spreading depression“ (Kortikale = die Hirnrinde betreffende Streudepolarisation).
Ein Aura ist ein bemerkenswertes Phänomen, das möglicherweise einige betroffene Künstler in ihrer Kunst inspiriert hat, z.B. Hildegard von Bingen, Sigmund Freud, Vincent van Gogh (Titelbild „starry night“) Salvador Dalì und Richard Wagner. Für die Patienten stellt sie sich häufig beängstigend und beeinträchtigend dar, insbesondere bei hoher Anfallsfrequenz.
Therapieempfehlungen
Es gibt keine medikamentöse Akuttherapie der Migräne-aura. Triptane, die erfolgreich zu Beginn eines Migränekopfschmerzanfalls eingesetzt werden sind während der Aura unwirksam und dürfen sogar erst nach Beendigung der Aura eingesetzt werden.
Umso wichtiger ist hier also die Prophylaxetherapie, die bei besonderem Leidensdruck und Einschränkung der Lebensqualität geeignet ist. Ziel der Prophylaxe ist es, die Anfallshäufigkeit zu halbieren, weshalb es ganz wichtig ist, einen Anfallskalender zu führen.
Gemäß den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sind die Mittel der ersten Wahl:
Explizite Empfehlungen zur Prophylaxe der isolierten Aura gibt es nur für Flunarizin, Topiramat und möglicherweise Lamotrigin.
Als nicht-medikamentöse Therapieverfahren haben sich Akupunktur und psychologische Therapien (z.B. Entspannungsverfahren, Verhaltenstherapie) als wirksam erwiesen.
Quellen:
S1-Leitline der DGN „Therapie der Migräne“ Migraine-app der Schmerzklinik Kiel Webseite der Migraine Aura Foundation (Podoll/Dahlem) www.migraine-aura.com Oliver Sacks: Migraine