Frauen bekommen meist weniger Kinder, wenn ihre Mütter/Schwiegermütter mit im gleichen Haushalt leben. Das ergab eine Studie von drei Anthropologen der Universität Wien. Die Daten beziehen sich jedoch zu über 85 Prozent auf Entwicklungs- und Schwellenländer. Anwesende Großmütter tatsächlich als direkte Ursache für eine geringere Kinderzahl verorten zu wollen, bleibt widersprüchlich.
Ist diese Studie nicht sowieso zu dilettantisch und mit unzureichendem Datenmaterial angelegt worden? Martin Fieder von der Universität Wien und zwei Kolleginnen haben Daten von 2,5 Millionen verheirateten Frauen aus 14 Staaten analysiert. Sie präsentieren das Ergebnis im Fachmagazin Royal Society Open Science. Unterschlagen wird dabei, dass die Publikation „Living with own or husband's mother in the household is associated with lower number of children: a cross-cultural analysis“ vor allem auf Daten aus Schwellen- und Entwicklungsländern zurückgegriffen wird. Das anthropologisch-reproduktive Verhalten der postindustriellen Gesellschaften, in denen die Großeltern-Generation schon längst nicht mehr in derselben Behausung anzutreffen ist, wird nicht diskutiert.
Peer-Review: Ursprünglich abgelehnt
Interessant und entlarvend ist das Peer-Review-Verfahren bei Royal Society Open Science, das öffentlich einsehbar ist. Der ursprünglich eingereichte Titel lautet nämlich: „The effect of mothers-in-law on the number of grandchildren. A cross-cultural analysis between Austria and Vietnam“. Scheinbar war also vielmehr eine transkulturelle Analyse zwischen Österreich und Vietnam und dem Effekt von Schwiegermüttern auf die Anzahl der Enkelkinder angedacht.
Die Gutachter lehnten diese Veröffentlichung rundweg ab. Eine Vergleichbarkeit ausgerechnet dieser beiden Länder erschien ungeeignet, abwegig und nicht wissenschaftlich zielführend, so der Tenor.
Doch wie von Zauberhand gelang es dem Autorenteam, für ihre Austria/Vietnam Daten dank der Datenbank IPUMS* über zwei Millionen verheiratete Frauen im Alter zwischen 15 (?) und 34 Jahren aus 14 Ländern weltweit zu rekrutieren. Überraschenderweise waren dann aber weder Österreich noch Vietnam dabei.
Veraltete Daten
Außerdem waren die Daten der untersuchten Länder für wissenschaftliche Analysen völlig unbrauchbar und total veraltet (table 1):
Es geht merkwürdig weiter
Weitere Aspekte, über die ich stolpere:
Mein Fazit: sehr ernüchternd Ich bedaure zutiefst, sagen zu müssen, dass dies mit Abstand die strunzdümmste und schamloseste Publikation ist, die ich je gelesen habe. Ich frage mich auch, wie dieses Peer-Review-Verfahren eine zuerst berechtigt abgelehnte und dann so stümperhaft umgearbeitete Veröffentlichung genehmigen konnte?*IPUMS: Integrated Public Use Microdata Series (IPUMS) is the world's largest individual-level population database. IPUMS consists of microdata samples from United States (IPUMS-USA) and international (IPUMS-International) census records. The records are converted into a consistent format and made available to researchers through a web-based data dissemination system. IPUMS is housed at the Minnesota Population Center, an interdisciplinary research center at the University of Minnesota, under the direction of Professor Steven Ruggles