Ab 1. Januar 2018 könnten nicht nur Kunden vor der Apothekentüre stehen, sondern auch Steuerprüfer des Finanzamts. Dann bleibt kein Stein mehr auf dem anderen: Stimmt das Kassenbuch nicht oder hat sich die EDV „verschluckt“, drohen empfindliche Hinzuschätzungen. Einmal mehr zeigt sich: Der Fiskus bringt kleinen und mittelständischen Unternehmen generell Misstrauen entgegen.
Vor ziemlich genau einem Jahr ging es im Bundestag zur Sache. Der Finanzausschuss hatte diverse Experten geladen, um Erfahrungswerte zur Manipulation elektronischer Kassensysteme abzugreifen. Die Gästeliste überrascht: Neben verschiedenen Wirtschaftsvertretern und Steuerkanzleien gaben sich als Berater auch der Deutsche Fußball-Bund sowie der Deutsche Bauernverband die Ehre.
Schwarzes Schaf oder schwarze Herde?
Inhaltlich hatten Steuerfahnder deutlich mehr zur Thematik beizutragen. Tobias Teutemacher aus Münster berichtete von einem Gastwirt, der über spezielle Programme nur 50 Prozent aller Umsätze in seine Buchhaltung übernommen hatte. In einem anderen Fall hatte ein Restaurantbetreiber sein mobiles Endgerät gleich gar nicht mit der IT vernetzt. Jenseits etlicher Einzelfälle, die ohnehin meistens aus der Gastronomie kamen, wurde der gesamte Einzelhandel in Misskredit gebracht.
Für den damaligen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble war klar, dass Handlungsbedarf besteht. Unweigerlich drängt sich der Spruch „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“ auf: Steuern müssen gezahlt werden, das steht außer Frage. Kleine und mittelständische Unternehmen haben eben keine Möglichkeiten, sich vor Abgaben zu drücken, wie es beispielsweise Apple versucht haben soll.
Schutz der Schweigepflicht
Es geht aber nicht nur um monetäre Aspekte. In einer Stellungnahme machte die ABDA klar: „Sofern der Finanzverwaltung der umfassende Zugriff auf die digitale Buchführung ermöglicht werden soll, müssen die steuerrechtlichen Regelungen allerdings mit Augenmaß erfolgen und insbesondere die Besonderheiten der apothekerlichen Berufsausübung und der damit verbundenen Schweigepflichten gemäß § 203 StGB berücksichtigen, durch die das Vertrauensverhältnis der Patienten zum Apotheker und seinem Personal geschützt werden.“
Viele Daten, die auch Fiskalbehörden interessieren, sind mit Patienten, mit deren Medikation und damit auch mit deren Erkrankung verknüpft. Da kann schnell etwas in falsche Hände gelangen. Und durch die Möglichkeit, ohne Ankündigung vor der Tür zu stehen, sei es kaum noch möglich, steuerliche Auskunftspflichten und strafrechtliche Schweigepflichten miteinander zu vereinbaren.
Wenn der Prüfer dreimal klingelt
Viel haben die ABDA-Einwände nicht gebracht. Mit ihrem „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“ hat die Regierung zum 1. Januar 2018 offiziell die Möglichkeit der Kassen-Nachschau eingeführt. Hier handelt es sich um ein „eigenständiges Verfahren zur zeitnahen Aufklärung steuererheblicher Sachverhalte unter anderem im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Erfassung von Geschäftsvorfällen“, schreibt das Finanzministerium.
Im Klartext heißt das: Nicht jede Apotheke pflegt beispielsweise ihr Kassenbuch tagesaktuell. Steht am nächsten Morgen ein Prüfer vor der Tür, ist der Ärger vorprogrammiert. Dann drohen Hinzuschätzung wegen fehlender Kassensturzfähigkeit.
Experten rechnen noch an ganz anderer Stelle mit Schwierigkeiten, Stichwort Apothekensoftware. Bestellen Kunden Arzneimittel vor, die sich im Lager befinden, buchen Warenwirtschaftssysteme die Artikel aus. Soweit, so bekannt. Wird das Präparat jedoch nicht abgeholt, sondern wieder ins Lager retourniert, lässt sich das nicht immer ohne Zweifel nachvollziehen.
Und die Moral von der Geschicht: Finanzämter können auch hier eine Hinzuschätzung durchführen. Üblich sind ein bis zwei Prozent des Barumsatzes, sprich es drohen Nachzahlungen von 6.000 bis 12.000 Euro pro Jahr. Über längere Zeiträume summiert können die Beträge Existenzen vieler Apotheken gefährden. Neben der Software werden fehlende Verfahrensabläufe zum Problem. Aus dem Dokument muss ersichtlich sein, wie Anwender mit der Software umzugehen haben.
Angst vor der Digitalisierung?
Damit ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Elektronische Aufzeichnungssysteme müssen ab dem 1. Januar 2020 über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verfügen, die sich aus drei Bestandteilen zusammensetzt: einem gänzlich unveränderbaren Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer digitalen Schnittstelle zur Prüfung durch Finanzämter. Die gläserne Apotheke naht.