Und da war nun mein alleiniger Trost, die Übersetzerin, welche genauso verwirrt erschien wie ich. Der Patient, dessen Stärken auch nicht unbedingt im kohärenten Erzählen logischer Zusammenhänge lag, schaute uns hilflos an.
Nach einer gefühlt halbstündigen Anamnese waren wir etwa soweit:
Immerhin hatte Herr Gozolowsko aber sehr ausführlich dargestellt, warum er keinen Hausarzt habe. Außerdem sagte er, dass Schmerzen bestünden. So überall, zum Beispiel im Bauch und im Rücken. Zehn Jahre lang. Oder seit fünf Jahren. Man habe auch mal operieren wollen. Was wüsste er nicht. Wäre er etwa Arzt? Nein. Also. Dann wäre alles besser gewesen und jetzt aber auch nicht mehr. Deswegen wäre er ja auch hier! So!
Da die Befragung nun schon viel zu lange chaotisch zwischen der Frage, warum der Patient keinen Hausarzt habe, seiner mysteriösen Operation und den nicht weniger unspezifischen Schmerzen hin und her driftete, beschloss ich mich nochmals auf den Bauch als, äh, Standardinternistengebiet zu konzentrieren.
Fieber, Übelkeit, Erbrechen, Besonderheiten bei Wasserlassen oder Stuhlgang? In zähen Verhandlungen kamen wir auf fünf Mal Nein. Vielleicht Blut im Stuhlgang? Nach einer weiteren längeren Diskussion mit der Übersetzerin meinte diese schließlich hilflos: „Der Stuhlgang wäre ohne Blut, aber es kam mal Blut aus dem Rücken.“
„Aus dem Rücken?!“
„Öh, ja.“
„Eine Verletzung?“
„Ich weiß es auch nicht!“, sagte die Übersetzerin und warf die Arme in die Luft.
Ich beschloss den Patienten einfach mal ausführlich zu untersuchen. Die Aufnahmeschwester reichte mir schon mal den Bogen voller unauffälliger Laborwerte durch die Tür. Immerhin etwas. Also los. Der Bauch war weich und Herr Gozolowsko deutete an, dass er im Augenblick auch gar keine Bauchschmerzen hätte.
Hm. Auf zum Rücken, aus dem Blut käme. Vielleicht ein aufgeplatzter Pickel? Der Rücken war pickel-, verletzungs- und narbenfrei. Zumindest die genaue Schmerzlokalisation am Rücken wollte ich nun wissen: „Herrn Gozolowsko, WO tut es denn sonst immer weh?“
„Weiter unten.“
„Hier?“
„Nein, noch weiter unten.“
„Da?“
„Noch weiter unten.“
„Hm, also jetzt müssen Sie doch gerade mal die Hose ausziehen.“
Und da, wo dann schon kein Rücken mehr war, lugte ein hässliches pickelartiges Gebilde hervor, welches der Grund für Herrn Gozolowskos allgemeines Unwohlsein, die Schmerzen und das Blut war. Pilonidalsinus nennt man das. Sehr unangenehm in der Tat.
Kein Plan, ob Herrn Gozolowsko das alles einfach zu peinlich gewesen war oder ob „Rücken“ aufgrund der Sprachschwierigkeit eine kreative Umschreibung für Gesäß gewesen war. Wir stellten den Patienten den Allgemeinchirurgen vor, die solche Dinge professionell und diskret behandeln.
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