Nach dem Streit um den Arzneimittel-Automaten in Hüffenhardt geben sich Apotheker siegessicher. Sie präsentierten nun ihren eigenen Automaten auf der Expopharm: die digitale Rezeptsammelstelle. Ganz so innovativ ist das neue Gerät aber auch wieder nicht.
Die Welt ist klar strukturiert im Apothekenland. Es gibt die Guten (Offizinapotheker), die Bösen (Offizinapotheker mit Versand) und die ganz, ganz Bösen (Versandapotheker aus den Niederlanden). Und es gibt Patienten, aber deren Bedürfnisse spielen eine eher untergeordnete Rolle.
Juristisch ist alles klar
Bestes Beispiel sind neue Versorgungsformen zusammen mit dem Unwort des Jahrzehnts, sprich Digitalisierung. Offizinapotheken müssen laut Apothekenbetriebsordnung aktiv beraten (gut so!), und Versandapotheken müssen zumindest diese Möglichkeit anbieten. Wie viele Kunden tatsächlich anrufen oder E-Mails schreiben, sei dahingestellt. Hauptsache, Laxantien oder Analgetika kommen im Zehnerpack.
Und dann gab es noch eine weitere Versorgungsform im baden-württembergischen Hüffenhardt. Keine Infrastruktur, keine Apotheke, aber zumindest ein ferngesteuerter Kommissionierautomat mit Beratungsfunktion per Videochat sollte die Bevölkerung versorgen.
Für Juristen war die Sache schnell klar. Sie monierten Verstoße gegen das Apothekengesetz und gegen die Apothekenbetriebsordnung. Der Stoff bietet sogar Material für ein ganzes Buch. Auf dem Einband fehlt nur noch ein Lorbeerkranz, schließlich haben die Guten segensreich gewonnen. Und die Patienten vor Ort? Fragen wir lieber nicht.
Schlaues Kästchen – dumm gelaufen
Ganz wohl war den Guten aber nicht bei der Sache. Deshalb erblickte kürzlich eine digitale Rezeptsammelstelle das Licht der pharmazeutischen Welt – entwickelt vom Landesapothekerverband Baden-Württemberg und von der VSA GmbH. Zusammenhänge zu Hüffenhardt werden offiziell natürlich bestritten. Das Pilotgerät soll noch dieses Jahr in Baden-Württemberg getestet werden. Was kann das kleine Kästchen?
Es scannt nicht nur Rezepte und leitet Vorbestellungen an Offizinapotheken weiter. Kunden können auch per Telefon oder per Textnachricht mit einem Pharmazeuten Kontakt aufnehmen. Nach Prüfung der Originalrezepte fährt ein Bote dann die Arzneimittel aus. Hier wird es wieder interessant: Eigentlich müssten dies Apotheker oder PTA tun, sollte der Patient nicht in seine Apotheke kommen. Zumindest in München beherzigen viele Apothekenleiter diese Regelung (ApBetrO, Paragraph 17) bei Vorbestellungen nicht. Doch wo kein Kläger, da kein Richter. Das wissen auch die Guten.
Anders als der einstige DocMorris-Automat spuckt das Gerät unserer Apotheker keine Medikamente aus. Der neue Automat digitalisiert das Rezept und leitet es an den Apotheker weiter. So kann die Lieferung besser vorbereitet werden.
Eigentlich will man sich von Hüffenhart aber doch ein paar Scheibchen abschneiden. Deshalb hat die Becton Dickinson Rowa Germany GmbH kürzlich ein Abholterminal auf Basis von Vpoint präsentiert. In der braven Grundfunktion bleibt es bei Freiwahlartikeln oder bei Nachlieferungen nicht vorhandener Arzneimittel. Sollten sich die Rahmenbedingungen ändern, reicht wahrscheinlich schon ein Software-Update aus, um daraus eine Wunderkiste mit Vollversorgung zu zaubern.
Und DocMorris? „Wir wollen auch in strukturschwachen Gegenden Menschen mit Arzneien versorgen, besonders wenn die Dorfapotheke - wie in Hüffenhardt – schließt“, erklärte Walter Oberhänsli, Chef der Schweizer Konzernmutter Zur Rose, Mitte September.