Die Ruheatmung eines Menschen ist in der Regel geräuschlos, nicht nur im Schlaf. Wenn jedoch der Luftstrom durch die Nase einen lästigen Pfeifton verursacht, kann man mit einem einfachen Blick in die Nase meist rasch die Ursache erkennen.
„Guten Morgen, Herr Doktor! Bitte helfen Sie mir. Mein Mann und ich sind vollkommen genervt. Wenn ich durch die Nase atme, hört man immer so ein Pfeifen. Es will nicht verschwinden!“, berichtet mir eines Tages Frau Schröder, die vor wenigen Jahren aus Berlin in unsere Gegend gezogen ist.
Natürlich kommen die Patienten in den meisten Fällen wegen störender Atemgeräusch während des Schlafs in meine Sprechstunde. Dann geht es um Schnarchen. Aber nicht selten wird auch über Pfeifen in der Nase geklagt, nachts und auch tagsüber.
Dahinter steckt oft ein trockener Schnupfen mit Borkenbildung. Eine Befeuchtung der Nase mit anschließender Reinigung durch Schneuzen kennen alle. Manchmal will das unangenehme Geräusch aber trotzdem nicht verschwinden.
Was sind die Ursachen?
Die physikalische Ursache ist einfach. Offensichtlich scheint es zu Verwirbelungen des Luftstroms zu kommen. Die Nase als Filter und Klimaanlage der Atemwege ist so konzipiert, dass der Luftstrom an der Nasenklappe wie bei einem Diffusor in alle Bereich der Nase aufgefächert wird, damit er möglichst an der gesamten Schleimhaut vorbeigeleitet wird. So können kleine Partikel an der Schleimhaut hängenbleiben und später verschluckt werden. Zusätzlich wird die Luft erwärmt und angefeuchtet.
Nach einer gezielten Anamnese meiner Patientin, schaute ich mir Frau Schröders Nase an. „Die Nase ist sehr trocken und borkig“, beschrieb ich den Befund.
„Dabei benutze ich jeden Tagen Salbe und eine Nasendusche.“
Dann die Entdeckung
Ungefähr einen Zentimeter hinter dem Nasensteg war dann die Ursache der Beschwerden unter Borken zu erkennen. Ein ordentliches Loch in der Scheidewand. Mit weiteren gezielten Fragen machte ich mich auf die Suche nach dem Grund für das Loch.
Dabei ist in diesem Fall durchaus Fingerspitzengefühl gefragt. Eine häufige Ursache für diese Perforation sind Nasentraumen, vorausgegangene Operationen, Blutstillung nach Epistaxis und häufige Entzündungen. Alles eher unverfängliche Themen. Häufige Manipulation mit Fingern, Erkrankungen der Haut oder Lunge wie bei Morbus Wegener sind außerdem abzufragen. Ebenso die Inhalation von Giftstoffen, beispielsweise am Arbeitsplatz.
Die letzten beiden Fragen, die zu stellen sind, fallen einem als zurückhaltender höflicher Mensch durchaus schwerer. Aber wenn man man als Arzt die Damen nach Alter und Gewicht fragen darf, muss es auch erlaubt sein, nach den folgenden Themen zu fragen: Geschlechtskrankheit und Kokain.
Auch wenn Syphilis eher selten und in diesem Fall als Spätstadium wohl unwahrscheinlich ist, sollte man diese Möglichkeit zumindest in Betracht ziehen. Beim Thema Kokain hatte ich bei Frau Schröder aber wohl ins Schwarze getroffen.
Die Vergangenheit holt sie ein
„Das ist mir unangenehm, aber seit Jahren vorbei! Was kann man gegen dieses Loch tun?“, fragte mich Frau Schröder.
„Von den drei möglichen Therapien haben Sie schon eine selbst durchgeführt: die Nasenpflege. Die könnte man natürlich noch intensivieren oder ergänzen mit weiteren Pflegemitteln“, erklärte ich.
Dann beschrieb ich ihr das Einsetzten eines Knopfs aus Kunststoff zum Verschluß, der natürlich auch gepflegt werde müßte.
Frau Schröder entschied sich für die dritte Möglichkeit: die Operation.
Also doch eine Operation notwendig?
Einige Wochen später betreute ich die Nachbehandlung. Die aufwendige und sehr anspruchsvolle Operation hatte fast drei Stunden gedauert. Wie üblich bei dieser Größe wurde mit Ohrknorpel und lokalen Schleimhautplastiken verschlossen. Wirklich gute Techniken in fähigen Händen sind dabei selten, aber man kennt ja die Ergebnisse der umliegenden HNO-Abteilungen.
Die Wundheilung dauerte länger als bei einer durchschnittlichen Septumplastik, aber letztendlich war Frau Schröder sehr zufrieden. Sie wurde nicht mehr durch das Pfeifen genervt und ihr Ehemann zog auch wieder ins Schlafzimmer ein.