Das Mischen von Rezepturen gehört zum Kerngeschäft öffentlicher Apotheken. Aber macht es wirklich Sinn, dass jede Betriebsstätte selbst im stillen Kämmerlein Kapseln herstellt oder Salben anrührt? Unter Qualitätsaspekten ist es längst an der Zeit, umzudenken.
Die ABDA weiß es immer ganz genau. 2016 haben die öffentlichen Apotheken rund 7,2 Millionen allgemeine Rezepturen wie Kapseln oder Salben für GKV-Versicherte hergestellt. Hinzu kommen mehrere Millionen Spezialrezepturen, etwa Zytostatika oder Präparate zur Heroinersatztherapie. Rezepturen für Privatversicherte werden nicht erfasst – die tatsächliche Zahl dürfte also deutlich höher sein.
Geringer ökonomischer Stellenwert
Bei einer apokix-Befragung gaben 50 Prozent an, mehrmals pro Tag im Labor zu werkeln, und weitere 21 Prozent waren zumindest einmal pro Tag aktiv. Im Mittelpunkt stehen Salben, Cremes und Pasten (99 Prozent der Nennungen), seltener Lösungen, Suspensionen oder Emulsionen (82 Prozent), Teemischungen (27 Prozent) oder Kapseln (16 Prozent). Der wirtschaftliche Stellenwert wird mehrheitlich als „eher gering“ (51 Prozent Zustimmung) bis „sehr gering“ (17 Prozent) bewertet.
Hinzu kommen die Kosten. Für eine wenig geläufige Rezeptur werden vielleicht 500 mg einer Chemikalie benötigt. Die restlichen 9,5 g eines Gebindes mit 10,0 g landen früher oder später bei der Entsorgungsfirma. Kein Wunder, dass manche Kollegen recht unmotiviert sind.
Gemeinwohlaufgaben einfach abgelehnt
Die Berliner Apothekerkammer wollte es genauer wissen. Sie hat vor gut einem Jahr alle 843 Apotheken im Kammerbezirk von einer Agentur anrufen lassen. 36 weigerten sich schon am Telefon eine gängige und preiswerte Rezeptur anzunehmen. Alternativ gaben sie an, länger als 48 Stunden zu benötigen. Das Ergebnis überrascht nicht. Ob kürzlich angepasste Fixpauschalen zu mehr Bereitschaft führen ist unbekannt.
Mehr Dokumentation = mehr Qualität?
Erschwerend kommt hinzu, dass der organisatorische Aufwand bei Rezepturen immer weiter steigt. Apotheker bzw. PTA müssen Ausgangsstoffe prüfen, Plausibilitätskontrollen oder Inprozesskontrollen durchführen oder Hygienepläne abarbeiten. Doch der entscheidende Schritt fehlt nach wie vor. Ob eine fertige Rezeptur tatsächlich dem entspricht, was der Arzt verordnet hat, weiß niemand so recht.
Praktisch keine Apotheke führt am fertigen Präparat Gehaltsbestimmungen nach dem Arzneibuch durch. Titrationen kennen viele Pharmazeuten nur aus dem Studium. Teure Geräte wie NIR-Spektrometer oder UV-VIS-Spektrometer findet man allenfalls bei großen Filialverbünden, respektive Krankenhausapotheken. Doch wer weiß, ob sich beispielsweise das Immunsuppressivum Tacrolimus homogen über alle Kapseln der pädiatrischen Rezeptur verteilt hat? Eigentlich niemand.
Ringen um Ringversuche
So mancher Kollege mag jetzt einwenden, es gebe doch das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) mit seinen vielzitierten Ringversuchen. Wohl wahr, nur hat diese Form der Qualitätskontrolle etliche Schwächen. Im Jahresplan gibt das ZL verschiedene Themen vor, etwa generelle Rezepturen oder Kapseln für die Pädiatrie.
Wer keine Proben aus der laufenden Herstellung zieht, sondern seine PTA extra Rezepturen für den Ringversuch anfertigen lässt, hat bereits mit dem ersten Bias zu kämpfen. Die Kollegin wird alle dreimal prüfen, vielleicht wesentlich gründlicher als üblich arbeiten und auch bessere Resultate erzielen als im Routinebetrieb. Außerdem werden die Ergebnisse nicht transparent kommuniziert. Online sucht man vergebens nach genauen Daten. Wie gut – oder schlecht – eine Apotheke abschneidet, bleibt Kunden verschlossen.
Fünf Forderungen für bessere Rezepturen
Stellen wir uns vor, der Gesetzgeber würde sich überlegen, die Apothekenbetriebsordnung und weitere Regelungen zu überarbeiten (was leider nicht geplant ist). Welche radikalen Reformen könnten Apotheker im Bereich von Rezeptur und Defektur fordern?