„Wie schaffe ich es am schnellsten ins Sprechzimmer vom Herrn Doktor? Der hat eine Terminsprechstunde und ich keinen Termin. Aber es wäre doch gelacht, wenn ich das System nicht überlisten kann.“ So oder so ähnlich müssen die Gedanken der Patienten aussehen, die sich auf Teufel komm raus in mein Sprechzimmer schmuggeln wollen.
Eine Sprechstunde kann man ja bekanntlich sehr unterschiedlich organisieren. Ein Kollege von mir vergibt keine Termine. Die Patienten rufen morgens an und erhalten einen Termin an diesem Tag. Wenige Praxen haben eine offene Sprechstunde: Jeder kommt, wann er will und wartet, bis er drankommt. Oder ganz restriktiv: Nur Termine nach Absprache und zwischendurch nur absolute Notfälle.
Bei mir ist es eine Mischung: langfristig, erst ein oder zwei Wochen vorher zu vergeben, tagesaktuelle Termine und natürlich Notfälle. Allen Konzepten gemeinsam ist die einfache Tatsache: Irgendwann ist eben Schluß. Auch wenn wir bis spät in die Nacht arbeiten könnten, wollen wir doch auch irgendwann einmal nach Hause.
Wilde Behauptungen und Unwahrheiten
Aber ganz offensichtlich sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, doch ins Sprechzimmer zu gelangen: „Der Doktor hat gesagt, ich könnte einfach so vorbeikommen!“ – sage ich nie! Ist also bei uns nicht effektiv. Neulich hat das einer behauptet, der vorher noch nie bei uns war.
Oder: „Meine Hausärztin hat gesagt, ich soll sofort zum HNO-Arzt gehen!“ – sagt vielleicht wirklich mal ein Hausarzt, aber dann meist mit einhergehendem Anruf oder einer eindeutigen Überweisung. Aber nicht bei harmlosen Beschwerden.
Auch gut: „Ich habe die Beschwerden seit sechs Monaten, habe immer gedacht, es geht von allein wieder weg. Jetzt muss das heute unbedingt noch ein Arzt sehen!“ – gähn!
Irgendein Druckmittel wird sich doch finden ...
Ebenfalls wird das Androhen von Konsequenzen immer beliebter: „Ich habe seit zwei Tagen Halskratzen. Wenn Sie mich jetzt nicht drannehmen, verklage ich Sie wegen unterlassener Hilfeleistung!“ Untermalt wird das Ganze mit einer so lauten Stimme, dass der Hörtest in der schalldichten Kabine unterbrochen werden muss. Muss ich das kommentieren?
Sehr subtil und damit letztendlich erfolgreich war folgender Patient: „Ich habe gestern mit Dr. Foraminologe telefoniert. Er hat gesagt, ich soll einfach vorbeikommen. Ich habe auch nicht viel Zeit. Kann ich gleich durchgehen?“
Ich kannte den Mann überhaupt nicht. Aber seine Tochter hat wohl mal mit meiner in einer Ballettgruppe getanzt. Und damit setzte er mich unter Druck. Würde ich riskieren, ihn vor den Kopf zu stoßen? Würde er dann den anderen Eltern in Schule, Sport und Umfeld eine schöne Geschichte erzählen, die mich diskreditiert?