Nachdem in mehreren Beiträgen nach der Studie von Powers et al. zur kindlichen Migräneprophylaxe ein Abgesang auf die selbige gefeiert wurde, möchte ich in diesem Beitrag ein Plädoyer für die medikamentöse Migräneprophylaxe halten.
Im November letzten Jahres war die Studie von Powers auch mal Thema bei Doccheck. Kurz zusammengefasst geht es darum: Powers et al. fanden heraus, dass weder Topiramat noch Amitriptylin gegenüber Placebo einen Vorteil in der Migräneprophylaxe bei Kindern haben. Im Gegenteil: Durch die aufgetretenen Nebenwirkungen – darunter ein Suizidversuch unter Topiramat – unterm Strich schlechter abschneiden als Placebo.
Ja oder nein zu Pillen?
Die Schlussfolgerung war wie auch in anderen Medien, dass diese medikamentöse Prophylaxe Kindern eigentlich am besten gar nicht verordnet werden sollte, sondern rein auf nicht-medikamentöse Migräneprophylaxe, also verhaltenstherapeutische Maßnahmen, Wert gelegt werden sollte.
Wie aber sicher jeder aus Erfahrung weiß, gibt es Lebensphasen- und Ereignisse, in denen es nur schwer möglich ist, verhaltenstherapeutische Maßnahmen umzusetzen. Bei der Migräneprophylaxe zählen dazu unter anderem regelmäßige Essens- und Schlafenszeiten, Ausdauersport, Entspannungsverfahren. In solchen Fällen denke ich, sollte man nicht unnötig auf Medikamente verzichten. Auch wenn ich ebenfalls im Sinne einer Stufentherapie zuerst auf nicht-medikamentöse Maßnahmen setzen würde, was im Übrigen auch Konsens der Leitlinie ist.
Mängel der Studie
Nicht vorenthalten möchte ich euch zwei Punkte, auf die ich im Beitrag Placebo ebenso wirksam wie die Behandlung mit Amitriptylin oder Topiramat von Prof. Bingel gestoßen bin:
1. Das Randomisierungsverhältnis mit 4:1 von Verum zu Placebo hat die Wahrscheinlichkeit erhöht, ein tatsächliches Medikament zu erhalten und somit auch bei den Probanden die Erwartungshaltung (und dementsprechend auch den Placeboeffekt) vergrößert.
2. Die gewählten Dosierungen waren im Vergleich zur Praxis eher hoch und damit Nebenwirkungen auch wahrscheinlicher.
Gerade der letzte Punkt hätte verhindert werden können. Es gibt einige Studien wie z.B. diese hier, die zeigen, dass die medikamentöse Prophylaxe in „low dose“ auch hervorragend wirken kann. Dies senkt die Rate von Nebenwirkungen und erhöht die Therapieadhärenz.
Medikamente nicht gleich verbannen
Meiner Meinung nach handelt es sich um eine wichtige Studie, die weitere randomisierte Studien erfordert. Insgesamt sollte man, vor allem in schweren Fällen, die medikamentöse Therapie nicht ad acta legen. Kopfschmerzen bei Kindern wie auch Erwachsenen gehören in die Hände eines Neuropädiaters respektive Neurologen.