Apotheker blicken mit Pessimismus in die Zukunft – das zeigen kürzlich veröffentlichte Befragungen. Anstatt sich mit neuen Konzepten gegen „Holland-Boni“ zu wehren, bleibt es beim Hilferuf an die Politik. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe hört die Signale allzu gern.
Only bad news is good news: Kurz vor dem Apothekertag veröffentlichte die ABDA-Pressestelle neue Zahlen. Überraschung: Mit den öffentlichen Apotheken geht es weiter bergab. Einer repräsentativen Befragung zufolge rechnen 40,9 Prozent aller Inhaber mit einer geringfügigen oder deutlichen Verschlechterung in nächster Zeit. Im Vorjahr waren es noch 28,0 Prozent.
Unternehmerisch überraschende Reaktionen
Schön und gut – nur wirkt der Trend aus unternehmerischer Sicht doch etwas befremdlich. 56,3 Prozent gaben zu Protokoll, nach dem umstrittenen EuGH-Urteil ihre Investitionen zu bremsen. Und 33,9 Prozent wollen sogar am Personal sparen. Damit dreht sich die Spirale immer weiter nach unten.
Anstatt Alleinstellungsmerkmale auszubauen – und die haben öffentliche Apotheken ohne Frage – rufen sie erneut, fast fürbittenartig, die Politik um Hilfe. 80,3 Prozent fordern von einer neuen Bundesregierung als erste Maßnahme nach der Wahl, den Rx-Versandhandel zu stoppen.
Supermarkt wichtiger als Apotheken
In Zeiten des Wahlkampfs nutzt Hermann Gröhe (CDU) natürlich die Chance, noch ein paar Stimmen einzufangen. Über Sigmar Gabriels (SPD) damalige Wirtschaftspolitik sagte der Bundesgesundheitsminister: „Ich hätte mir gewünscht, er hätte für die 150.000 Beschäftigten in unseren Apotheken genauso viel getan, wie für die 15.000 Beschäftigten von Kaisers Tengelmann.“ Sozialdemokraten hatten seinen quasi über Nacht vorbereiteten Gesetzesentwurf gegen „Holland-Boni“ gestoppt. Genau hier setzt Gröhe jetzt an: „Wir werden alles, das in unserer Kraft liegt, dafür tun, dass das Rx-Versandverbot kommt.“
ABDA-Chef Friedemann Schmidt erwartet deshalb nach der Regierungsbildung umgehend ein Gesetzgebungsverfahren zu einheitlichen Abgabepreisen für verschreibungspflichtige Arzneimittel: „Wenn die Politik den Apothekern solide, berechenbare und nachhaltige Rahmenbedingungen zusichert, garantieren wir unsererseits eine sichere, moderne und menschliche Arzneimittelversorgung für alle Menschen überall in Deutschland.“
Soweit – so bekannt. Auf Visionen wartete man bei der politischen Diskussion vergebens. Die Apothekerschaft sucht wie so oft Schutz bei der Politik.
„Unter Naturschutz von Gröhe“
Professor Dr. Gunter Dueck, Querdenker und früherer Chief Technology Officer bei IBM, findet beim herstellerfinanzierten Symposium „Perspectiva 2017“ dafür klare Worte. Zu den anwesenden Apothekern sagt er: „Sie stehen ja unter dem Naturschutz bei Gröhe.“ Er sieht weniger Konkurrenten aus anderen EU-Ländern als Problem. Vielmehr komme es generell zum Verfall ländlicher Infrastrukturen. Das betreffe den Bäcker, den Metzger und den Supermarkt genauso wie die Arztpraxis oder die Apotheke.
Dueck sieht neue Business-Modelle wie Selbstzahler-Leistungen als Lösung – ein Thema, das nicht nur Mediziner auf ihrem Schirm haben. Sanitätshäuser erkennen die Zeichen der Zeit ebenfalls. Sie produzieren 3D-Orthesen für unterschiedliche Anwendungen – und Patienten greifen willig in ihren Geldbeutel. Nur bei Apothekern hapert es. Viele Kollegen bieten beispielsweise patientenindividuelle Verblisterungen an, ohne ihre zusätzliche Leistung abzurechnen – schließlich würden das ja alle so machen. „Sie dürfen nicht einknicken – das würde auch kein Handwerker machen“, sagt Dueck.
Neben kurzfristig umsetzbaren „Apotheken-IGeL-Leistungen“ bleibt langfristig noch die Möglichkeit, Honorare an Beratungsleistungen statt an Packungszahlen zu orientieren. Erweiterte Kompetenzen im Bereich Prävention wären ebenfalls interessant. Und in Großbritannien gibt es „Pharmacist independent prescriber“, also Apotheker, die gewisse Rx-Präparate verordnen dürfen. Beim Nachbarn Schottland arbeiten Hausärzte und Apotheker enger zusammen, um die Versorgung zu verbessern. Ideen, wie sich die Zukunft gestalten lässt, gibt es viele. Der „Naturschutz“ (Dueck) gehört mit Sicherheit nicht dazu.