Ich habe kein Problem mit dem Schlaf. Er ist immer da, wenn ich ihn brauche. Manchmal taucht er allerdings auch auf, wenn ich ihn gar nicht brauchen kann. Beim Autofahren zum Beispiel. Ich kneife mich dann in die Fingerkuppe und ermahne mich selbst: „Hey, wach bleiben!“ Ich erinnere mich an diesen Satz in der Notaufnahme. Das tausendfache, rhythmisch Wiederholen, manchmal laut, zur Not schreiend.
Das alljährliche Stadtfest. Die Liegen in der Notaufnahme sind in der Nacht überfüllt mit betrunkenen, gestürzten, kotzenden Patienten. Kopfplatzwunden, Schnittverletzungen, Schlägereien, Versorgung der Patienten in Fließbandarbeit. Vor allem die jungen Patienten haben nicht nur in Bier gebadet. Sie stinken nach Marihuana, haben Tabletten mit Smileys in der Tasche.
Die Intensiv- und Überwachungsbetten sind belegt mit überdosierten, kaputten Körpern, die sich selbst und das Pflegepersonal gefährden und sich am nächsten Tag an nichts erinnern können. Die Rettungsdienste karren einen müden Patienten nach dem anderen um 0 Uhr, um 1 oder 2 Uhr nachts an. „Hey, nicht einschlafen! Bleiben Sie wach!“, schreien wir unsere Patienten an – wie die Helden in den TV-Serien. Ich verstehe, dass sie müde sind, bin ich auch.
Betrunkene Schlafende haben keine Schutzreflexe
Aber schlafende betrunkene Patienten, die auf den Kopf gefallen sind, sind nicht zu beurteilen. Sie haben keine Schutzreflexe. Sie kotzen nicht in einen Eimer. Sie kotzen sich selbst an. Ersticken daran oder sterben an der hässlichen Aspirationspneumonie. Sie bluten in ihren Kopf, ohne dass ich es bemerke, weil sie neurologisch nicht beurteilbar sind. Sie können mir nicht sagen, dass ihr Bauch schmerzt, weil sie einen Tritt in den Oberbauch bekommen haben und die Leber jetzt einen Riss hat. So lange sie wach sind, atmen sie. Aber wenn sie einschlafen, hört der mit Opiaten und Beruhigungsmitteln voll gepumpte Körper eventuell auch auf zu atmen – natürlich haben sie mir die Einnahme verschwiegen.
Tritt Bewusstlosigkeit ein, haben Sie ein Problem
Lebensgefährlich für sie und lästig für mich. Bewusstlose Patienten sind verdammt viel Arbeit, die nicht auf später verschoben werden kann. Bebeuteln, Intubation, Intensivstation, eine unnötig hohe Dosis Strahlenbelastung für den jungen Schädel. Wenn man Glück hat. Wenn man aber Pech hat, steckt hinter der Bewusstlosigkeit das Gefürchtete: ein Schock aufgrund der Milzlazeration, eine Subarachnoidalblutung, ein Herzinfarkt, die lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung, eine Intoxikation mit Atemdepression. Also schreien wir die Patienten an, um uns selbst und sie zu beruhigen. Solange sie wach sind und wach bleiben können, ist alles okay.
Sollten Sie also einmal so einen müden Körper irgendwo liegen sehen, schreien Sie ihn einfach an: „Hey, aufwachen! Bleiben Sie wach!“ Sobald er das nämlich nicht mehr ist oder nicht mehr bleiben kann, haben Sie ein Problem. Zumindest die stabile Seitenlage und die Nummer vom Rettungsdienst sollte man dann kennen.