Es ist schon ein perfides CANTOS-Studiendesign. Es scheint, als wären die Studienteilnehmer ganz nach dem Prinzip „Ich mach mir die Welt wie sie mir gefällt“ ausgewählt worden. Und so redet nun alle Welt über angeblich revolutionäre Studiengebnisse. Ich bleibe skeptisch.
Ich kann dagegen die allgemeine Emphase und Euphorie bei den CANTOS-Studienergebnissen und den damit verbundenen Hype einer angeblich allgemeingültigen Entzündungstheorie bei der Koronaren Herzkrankheit (KHK) nicht teilen. Die CANTOS-Studie (The Canakinumab Anti-inflammatory Thrombosis Outcomes Study) belegt in keinster Weise einen KHK-Präventionsansatz durch systematische Entzündungshemmung.
Keine Prävention, ausschließlich Therapie nach Herzinfarkt
Mit der Publikation Antiinflammatory Therapy with Canakinumab for Atherosclerotic Disease von Paul M. Ridker et al. ist im Titel zutreffender Weise auch nicht von Prävention, sondern ausschließlich von einer wie auch immer gearteten Therapie die Rede. Der Titel suggeriert, es handle sich um Arteriosklerose. In der Publikation selbst geht es aber ausschließlich um Patienten mit Zustand nach akutem Koronarsyndrom (ACS), Myokardinfarkt (MI), PCI-/Bypass-Intervention und damit um eine schwere, klinisch manifeste, organspezifische koronare Herzkrankheit und allenfalls um eine Sekundärprävention derselben.
Hintergrund und Schlussfolgerungen passen nicht zusammen
Ich möchte dies verdeutlichen mit der Gegenüberstellung von Hintergrund und Schlussfolgerungen der CANTOS-Studie:
„Background - Experimental and clinical data suggest that reducing inflammation without affecting lipid levels may reduce the risk of cardiovascular disease. Yet, the inflammatory hypothesis of atherothrombosis has remained unproved [...].“
versus
„Conclusions - Antiinflammatory therapy targeting the interleukin-1β innate immunity pathway with canakinumab at a dose of 150 mg every 3 months led to a significantly lower rate of recurrent cardiovascular events than placebo, independent of lipid-level lowering. (Funded by Novartis; CANTOS ClinicalTrials.gov number, NCT01327846.)“
Präjudizierendes Studiendesign
Geradezu perfide ist das Studiendesign: Um die Cholesterin/LDL-Hypothese oder die Endothel-Schädigung und Plaque-Bildung bzw. die Wirksamkeit von Statinen, Ezetemibe, PCSK-9-Hemmung, Lipid-Apherese etc. zu entkräften, wurden die Studienteilnehmer nach dem Hornbach-Prinzip – was nicht passt, wird passend gemacht – hochselektioniert ausgewählt.
So heißt es: „10.061 patients with previous myocardial infarction and a high-sensitivity C-reactive protein level of 2 mg or more per liter. The trial compared three doses of canakinumab (50 mg, 150 mg, and 300 mg, administered subcutaneously every 3 months) with placebo. The primary efficacy end point was nonfatal myocardial infarction, nonfatal stroke, or cardiovascular death.“
Damit wurden ausschließlich Patienten in die Studie eingeschleust, die mit der von der Autorenschaft präjudizierten Entzündungshypothese übereinstimmten. Es ging also gar nicht mehr darum, die Hypothese zu belegen, dass neben dem Alter, der hormonellen Konstitution, LDL-Hypercholesterinämie, Rauchen, Bewegungsarmut, Fehl- und Überernährung, Diabetes mellitus, hoher Alkoholkonsum und eventuell andere zusätzliche Entzündungsfaktoren eine Rolle spielen könnten.
Verum vs Placebo: Doch nur marginal?
Bei 14 Prozent der Studienteilnehmer wurden unter Canakinumab Ereignisse der primären Endpunkte wie kardiovaskulärer Tod, Infarkt und Schlaganfall gemessen, wohingegen in der Placebo-Gruppe bei 16 Prozent der Studienteilnehmern Ereignisse auftraten: Ein allenfalls marginaler Unterschied. Und alle Patienten hatten bereits vorher einen Myokardinfarkt erlitten.
Schlussfolgerungen vorherbestimmt
Wenn man dann nur gezielt diejenigen mit sowieso schon vorhandenen Entzündungsparametern aufgreift, hat man damit systematisch eine angemessene Kontrollgruppe ohne Entzündungszeichen nach Myokardinfarkt ausgegrenzt. Man könnte von einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung sprechen.
Ich zitiere die entsprechende Textpassage: „Patients were eligible for enrollment if they had a history of myocardial infarction and had a blood level of high-sensitivity C-reactive protein of 2 mg or more per liter despite the use of aggressive secondary prevention strategies.“
Mein persönliches Fazit
Diese Studienergebnisse reichen nicht aus, um Aussagen über Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention von Entzündungsparametern nach Herzinfarkten zu treffen. Und auch nicht für klinisch relevante Feststellungen bezüglich Prophylaxe, Ätiologie und Pathogenese der Koronaren Herzkrankheit mit daraus resultierendem akuten Koronarsyndrom.