Die Sommerferien sind beendet. Einige Urlauber konnten die Reise nicht nach Wunsch genießen. Denn wieder einmal kam es beim Fliegen zu Beschwerden: Ohrenschmerzen. Doch wo liegen die Ursachen hierfür? Und wie kann man die Schmerzen beim nächsten Flug verhindern?
Die Grundlagen für dieses ärgerliche Phänomen sind ganz einfach. Hinterm Trommelfell befindet sich ein abgeschlossener luftgefüllter Raum, das Mittelohr. Im Idealfall herrscht dort der gleiche Luftdruck wie im Gehörgang und wie auch in unserer Umgebung. Das sehr dünne Trommelfell steht dann spannungsfrei zwischen Mittelohr und Außenwelt, kann die Schallwellen aufnehmen und auf die Gehörknöchelchen Hammer, Amboß und Steigbügel übertragen.
Wenn es nicht gut läuft
Wenn Luftdruck im Mittelohr und der Außenwelt nicht übereinstimmen, steht das Trommelfell unter Spannung und lenkt sich aus. Das hat zwei Folgen: Man hört gedämpft und außerdem kann die Dehnung des Trommelfells stark schmerzen. Es können sogar kleine Äderchen platzen und in das Trommelfell einbluten. Im Extremfall hält das Trommelfell dem Druck nicht stand und reißt ein.
Wie gerade erwähnt, ist das Mittelohr ein geschlossener Raum. Aber es gibt eine Verbindung, die sich aktiv und passiv öffnen kann. Sie führt vom Mittelohr zum hinteren Bereich der Nase, dem Nasenrachen, und ähnelt einer Trompete. Dementsprechend heißt dieser Gang Ohrtrompete, Tuba auditiva, Tuba pharyngotympanica oder nach dem italienischen Anatom und Arzt Bartolomeo Eustachi, beschrieben in seinen Tabulae anatomicae vor 500 Jahren, die Eustachische Röhre.
So sollte die Tube funktionieren
Die Verbindung zur Nase ist aus akustischen Gründen verschlossen, kann sich aber öffnen. Bei einem Überdruck im Mittelohr kann der Druck passiv entweichen. Deshalb ist der Start mit einem Flugzeug in der Regel weniger problematisch als der Landeanflug. Oder das Auftauchen weniger als auf Tiefe zu gehen. Denn bei einem Unterdruck im Ohr muss ja Luft zum Druckausgleich ins Mittelohr strömen. Für die Öffnung dieses mit Schleimhaut überzogenen Ganges von Nase zum Ohr dienen einige Schluckmuskeln. Bei jedem Schlucken oder Gähnen kann Luft in die eine wie andere Richtung strömen. Hierbei bewegt sich das Trommellfell und wird als Knacken wahrgenommen.
Fehlfunktion der Tube
Die Ursachen für eine Fehlfunktion dieses Systems sind unterschiedlich, haben aber beim Fliegen immer die gleiche Auswirkung. Druck im Ohr, oft schmerzhaft. Häufig ist ein banaler Schnupfen verantwortlich. Selbst wenn die Luft noch beim Atmen durch die Nase strömen kann, ist hinten im Nasenrachen die Mündung zur Ohrtrompete schon entscheidend zugeschwollen. Man muss sich aktiv um eine Öffnung bemühen, einen Überdruck in Nase und Rachen erzeugen, der sich ins Mittelohr fortsetzt. Beim Schnäuzen der Nase gelingt dies oder beim Verschluß der Nase und Mundes mit Aufpusten der Wangen, indem man also das sogenannte Valsalva-Manöver durchführt.
Neben Infektionen können auch Allergien und vor allem bei Kleinkindern die vergrößerte Nasenrachenmandeln für die Schmerzen verantwortlich sein. Letztere nennt man auch adenoide Vegetationen oder kindliche Nasenpolypen. Bei wenigen Menschen besteht eine generelle Tubenfunktionsstörung.
Beseitigung der Ursache
Bevor ich in ein Flugzeug steige, teste ich schon Tage vorher diese Tubenfunktion. Falls mein Valsalva-Manöver nicht funktioniert, werde ich aktiv, bevor die Probleme kommen. Bei einem banalen virusbedingten Schnupfen hilft abschwellendes Nasenspray, bei Allergien entsprechende antiallergische Sprays oder Tabletten. Die Erfolgskontrolle kann man dann nach Einwirkzeit anhand des Valsalva-Manövers durchführen oder zunehmend (nicht nur bei Kindern) mithilfe des Nasenballons. Dann übe ich so lange, bis das Knacken in beiden Ohren sicher zu hören ist.
Eventuell wende ich eine halbe Stunde vor Sinkflug Nasenspray an. Einige kauen viel Kaugummi, um durch das vermehrte Schlucken die Öffnung zu bewirken. Kleinkinder sollten im Sinkflug ebenfalls viel schlucken, also Bonbon lutschen, trinken oder essen. Babys kann man zum Stillen anlegen. Das beruhigt zusätzlich.
Mittelohrentzündung
Eine Otitis media kann eine Folge dieser Funktionsstörung sein. Die verklebte Ohrtrompete verhindert nicht nur den Druckausgleich, sondern auch den Abfluß des Schleims, der sich im Mittelohr bildet. So kann aus einem Virusschnupfen eine bakterielle Mittelohrentzündung werden. Von einem Flug würde ich bis zu Heilung abraten.
Generelle Funktionsstörungen sollten einem HNO-Arzt vorgestellt werden. Diese können sich nämlich neben dem Druckproblem auch auf die Strukturen im Mittelohr auswirken, zu chronischen Entzündungen führen und damit nach ausführlicher Diagnostik auch weitere Therapien notwendig machen.
Abschließend möchte ich euch noch an einigen Fragen und Aussagen teilhaben lassen, mit denen ich mich bei diesem Thema häufig auseinandersetze.
Frequently Asked Quesions:
1. Kommt der Schleim hinterm Trommelfell (Erguss) aus der Nase?
Nein. Er wird von der Schleimhaut vor Ort gebildet.
2. Kann ich durch den Druckausgleich Krankheitserreger ins Mittelohr drücken?
Theoretisch ja. Ein schlechte Belüftung bringt aber ein sehr viel größeres Risiko einer Entzündung mit sich
3. Darf ich mit einem Röhrchen im Trommelfell fliegen?
Ja. Diese künstliche Öffnung ist ideal für den Druckausgleich.
4. Warum Nasenspray? Ich bekomme doch gut Luft durch die Nase?
Das Nasenspray hilft beim Abschwellen der Mündung der Ohrtrompete.
5. Ich fliege nur eine Kurzstrecke. Werde ich dann auch Probleme haben?
Die Länge des Fluges ändert nichts an der Flughöhe und dem Druckunterschied.
6. Der Druckausgleich tut mir weh. Ich mache den nicht.
Tatsächlich kann der Druckausgleich Schmerzen im Ohr auslösen. Je häufiger er durchgeführt wird, desto weniger Schmerzen sind zu erwarten. Wenn aber schon der Druckausgleich schmerzt, wird aber der Druckunterschied beim Fliegen bestimmt ähnlich stark peinigen.
7. Können die Ohrstöpsel aus der Werbung helfen?
Theoretisch kann das möglich sein. Eine generelle Empfehlung gibt es jedoch nicht, weil sie zu störanfällig sind. Von Einzelerfolgen haben mir Patienten berichtet.
8. Darf ich nach einem Hörsturz fliegen?
Ja. Bei einem Hörsturz ist das Mittelohr nicht betroffen.
9. Muss ich zum HNO-Arzt gehen, wenn ich selten Schmerzen beim Fliegen habe?
Wenn die Schmerzen nach kurzer Zeit ebenso verschwunden sind wie das dumpfes Hören, wird der HNO-Arzt nichts finden.