Inwiefern hängt die DNA mit der chronischen Erkrankung Adipositas zusammen? Eine britische Studie legt nahe, dass unser Mikrobiom im Darm – also die Zusammenstellung, Menge und Vielfalt der dort angesiedelten Bakterien – zum Teil vererblich ist.
Forscher des King's College London fanden einen neuen Zusammenhang zwischen genetischen Faktoren und Adipositas. Dafür untersuchten sie die Vielfalt an Bakterien des Darmmikrobiom und unterschiedliche Körperfettwerte. Des weiteren weisen die Experten auf die hohe Aussagekraft von Viszeralfettwerten als Indikator für Adipositas im Gegensatz zum BMI hin, der trotz seiner Unzuverslässlichkeit nach wie vor in den meisten Studien als Messwert herangezogen wird.
In einer Studie mit 1.313 Zwillingspaaren der Vereinigung TwinsUK am King's College London wurden Stuhlproben im Rahmen einer jährlichen Untersuchung auf ihre DNA überprüft. Die Experten verglichen die Werte mit sechs für Adipositas-Untersuchungen relevanten Messwerten – darunter der BMI sowie Messwerte der Fettanteile in Ober- und Unterkörper.
Die meisten Studien betrachten den BMI als Maßeinheit für Adipositas, bei Mäusen verwendet man dafür gewöhnlich epididymales Fett oder durch Dual-X-Ray-Absorptiometrie gewonnene Werte des Gesamtkörperfetts. Laut den Experten ist der BMI aber eine häufig impräzise Maßeinheit bei Adipositas, denn man misst die Masse, ohne zwischen magerer und fetter Masse zu unterscheiden. Am aussagekräftigsten war der im Viszeralfett genommene Wert: Studienteilnehmer mit einer größeren Vielfalt an Bakterien im Stuhl hatten niedrigere Viszeralfett-Werte. Dieses Eingeweidefett wird in der Bauchhöhle gespeichert und steht im Zusammenhang mit erhöhtem Risiko für Stoffwechselerkrankungen wie kardiovaskulären Erkrankungen und Diabetes. Bisher wurde dieser Fett-Typ noch nicht mit dem menschlichen Mikrobiom in Verbindung gebracht.
Unklar ist noch, welche Rolle die Gene im Mikrobiom spielen und inwiefern sie das Körpergewicht beeinflussen. In früheren Studien wurde auf die Erblichkeit der Eigenschaften des Mikrobioms eingegangen. Zoetendal et al. fanden heraus, dass eineiige Zwillinge ein ähnlicheres Mikrobiom haben als Ehepartner oder nicht verwandte Personen. Eine Studie von Goodrich et al. belegte, dass die Konkordanzrate von Methanobrevibacter unter Zwillingen bei Monozygoten höher ist. Das Team konnte kürzlich in der ersten großflächigen Analyse zu diesem Thema die Erblichkeit von menschlichem Mikrobiom in Fäkalien nachweisen. Belegt werden konnte dies durch ein Bakterium der Familie der Christensenellaceae: Bei dem stark erblichen Clostridium wurde festgestellt, dass es meistens gemeinsam mit anderen vererblichen Bakterien auftritt, also ein Netzwerk bildet. Der Wert dieser erblichen Bakterien war im Mikrobiom von schlanken Menschen mit niedrigem BMI erhöht. Die Forscher reicherten ein mit Adipositas assoziiertes Mikrobiom mit Christensenellaceae an und transplantierten es in Mäuse. Die erhöhten Level dieser Bakterienkultur reduzierte die Gewichtszunahme der Tiere und veränderte ihr Mikrobiom nachhaltig. Die Annahme ist also, dass „Host Genetics“ die Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm beeinflussen und zwar auf eine Weise, die große Auswirkungen auf unseren Stoffwechsel hat.
„Es sind noch weitere Untersuchungen nötig, um zu sehen, ob Eingriffe wie Stuhltransplantationen hier eine vorteilbringende Rolle spielen könnten,“ wie Kollegin Bell betont. Was man bezüglich des Resultats außerdem noch berücksichtigen muss: In puncto Gender lassen sich die Ergebnisse wogmöglich nicht verallgemeinern, denn die Mehrheit der untersuchten Zwillingspaare in der Studie waren weiblich. Zudem wurde nicht beobachtet, wie Ernährung und das Mikrobiom interagieren und ob es einen kausalen Zusammenhang gibt.
Originalpublikation: Heritable components of the human fecal microbiome are associated with visceral fat Michelle Beaumont et al.; Genome Biology, doi: 10.1186/s13059-016-1052-7; 2016