Das 'Dieselgate'-Treffen vorgestern in Berlin war keine Staatskrise! Die Dieselmotoren-Software solle nur zukünftig 'ehrlicher' manipuliert werden? Doch 'je länger wir an der Vergangenheit festhalten, desto teurer wird es', sagt Energieökonomin Frau Prof. C. Kemfert vom DIW. Zum 'Nationalen Forum Diesel' waren Minister, Ministerpräsidenten, Verbandschefs, Gewerkschafter und Autobosse vorgeladen.
1. Die deutsche Autoindustrie hat uns jahrelang dreist angelogen. Vorsätzlich und mit Heimtücke haben die "big five" betrügerische Diesel-Software installiert, die im Fahrbetrieb nicht nur in üblichen Temperatur-Bereichen weitgehend abschaltet bzw. z.T. völlig unwirksam bleibt, sondern zugleich auf dem Prüfstand mit scheinbar vorbildlichen Werten glänzt. Das gilt im Übrigen auch für methodisch fragwürdige CO2-Emissions-Messungen beim Benzin-Antrieb. Zugleich blieb die Diesel-Hardware auf dem Stand des vorigen Jahrhunderts: Französische FAP-Diesel-Technologie wurde verschlafen, AdBlue-Tanks zur Abgasreinigung kollektiv wirkungslos gemacht und im Gegensatz zur aktuell optimierten LKW-Technik bei Neufahrzeugen (dabei bereits abgestraftes Preiskartell) viel zu klein dimensioniert.
2. Die Politik und allen voran ein grandios uninformierter, dilettierender Bundesverkehrsminister, aber auch die ihm nachgeordneten Bundesbehörden bzw. die örtlichen KFZ-Zulassungsstellen haben, ob mit Vorsatz oder nicht, zumindest grob fahrlässig weggeschaut oder protegiert, ignoriert, vertuscht bzw. kohabitierend kollaboriert.
3. Automobil-Lobbyisten haben verschleiert und vertuscht bzw. durch gezielte Desinformation und Propaganda ein Diesel-Gate heraufbeschworen, dass nicht nur Firmenvorstände, sondern auch die milliardenschweren Eigentümerfamilien treffen muss. Dabei bestand und besteht zusätzlich auch eine besinnungs- und gewissenlose Kumpanei mit den Aufsichtsräten aus Politik, Wirtschaft, Banken, Handel und Gewerkschaften, die immer mit dem deutschen Technologie-Vorsprung und der Sicherung von Arbeitsplätzen in den heimischen Schlüssel-Technologien argumentiert haben.
4. Ein unrühmliches Kapitel spielen auch die deutschen Umweltverbände und die Grünen. Sie, die Feinstaub-, CO2-, CO-, SO2- und NO2-Belastungen, selbst aus Natur-naher Landwirtschaft, Industrie, Handwerk und Bau-Gewerbe, regionalem bzw. internationalem LKW-, Luftfahrt-, Schiffs- und Bahn-Verkehr, Energie- und Abfallwirtschaft, Technik-, Reifen- und Bremsen-Abrieb propagandistisch weitgehend ignorieren, verteufeln derzeit ausschließlich den weniger fossile Energie verbrauchenden Diesel-Individualverkehr und die Energiegewinnung durch Kohlekraftwerke auch mit Abgasreinigung. Zugleich huldigen sie einer ungebremsten Elektro-Mobilität und dem Primat des Öffentlichen-Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) trotz verlängerter Fahrt- und Wegezeiten, ohne zu erklären, wie Nachts bei Windstille alle Akkus aufgeladen werden sollen, ohne zusätzlich konventionelle Kraftwerke in Anspruch zu nehmen. Ignoriert wird auch, unter welchen Arbeits- und Lebensbedingungen in der 3. Welt die Ressourcen ausgebeutet werden, mit denen wir eklusiv unsere Hochtechnologie-E-Mobilität protegieren sollen. Von Umweltschäden bei Herstellung und Unterhalt (grenzüberschreitender Atom - und Fossil-Kraftwerks-Strom) von E-Fahrzeugen mal ganz abgesehen.
5. Vollends unredlich populistisch ist die Ansage "dass 10.610 Menschen pro Jahr aufgrund hoher Stickoxidwerte vorzeitig sterben würden". Ebenso die Aussage: "Seit dem Bekanntwerden des Abgasskandals am 18. September 2015 ergeben sich somit rechnerisch 19.807 Sterbefälle". Das unterschlägt 1,8 Millionen Sterbefälle laut statistischem Bundesamt (www.destatis.de) im gleichen Zeitraum bei Krankheiten, Unfällen, Alterung.
6. Ein "Geschmäckle" hat die Argumentation: "Sterblichkeit bei hohen Belastung durch Stickstoffdioxide [sei] höher, ebenso das Risiko für Lungenkrebs. Kinder entwickeln häufiger Asthma, mit mehr Notfallkonsultationen und Klinikeinweisungen sei zu rechnen." Das Hauptproblem: Nur Wohlhabendere, weniger Kranke können in verkehrsberuhigten, grünen Villenvierteln residieren. Um morgens ihre schweren Diesel-SUVs zu besteigen, um über schmutzige Hauptverkehrsstraßen auf dem Weg zu ihren hochdotierten Jobs die prekären Mietshäuser und Behausungen der weniger Wohlhabenden, Ärmeren und Kränkeren zu besichtigen und klimatisiert vorbeizufahren.
7. Bezeichnend: "Die Automobilindustrie verfolgt gemeinsam mit der Politik das Ziel, die Luftqualität weiter zu verbessern. Fahrverbote könnten und müssten in Deutschland vermieden werden." Dieses Fazit zog der Verband der Automobilindustrie (VDA) am Mittwoch nach dem "Nationalen Forum Diesel". Dazu ein ebenso pikantes wie bezeichnendes Detail. Diese vorgefertigte Stellungnahme wurde den Medien, der Öffentlichkeit und der Politik vom VDA präsentiert, b e v o r Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks überhaupt ansatzweise die Möglichkeit bekamen, ihre fachministeriellen Statements zu veröffentlichen.
Von Hardware-technischen Veränderungen bei Diesel-Antriebs-Technik und Diesel-Individualverkehr also keine Spur, keine Reue, kein Schuldbewusstsein bei VW, Porsche, Audi, Mercedes und BMW: Software-Schmuh und "Business as usual"? Das sind die wesentlichen Punkte, die auch von Umweltschutz-Verbänden und der Opposition zu Recht kritisiert werden. Nur die AfD vermutet dagegen eine internationale Verschwörung gegen die "Deutsche Dieseltechnologie".