Nach dem Tod mehrerer Krebspatienten durch Behandlungen beim Heilpraktiker gerät Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe unter Druck. Von grundlegenden Reformen des Heilpraktikerrechts ist Berlin aber weit entfernt.
Therapie mit Todesfolge: Im Krebszentrum Bracht hatte ein Heilpraktiker mehrere Krebspatienten mit 3-Bromopyruvat behandelt. Drei Menschen verstarben. Ähnliche Themen werden vor dem Amtsgericht Kelheim verhandelt. Auch hier geht es um fahrlässige Tötung – und um einen Heilpraktiker, der bei einer Frau mit Mammakarzinom ausgependelt hatte, welche homöopathischen Präparate wohl geeignet wären. Grund genug für Kordula Schulz-Asche, Elisabeth Scharfenberg und Maria Klein-Schmeink von Bündnis 90/Die Grünen, eine kleine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen.
Die Bundesregierung „bedauert die Todesfälle“, hält es aber für geboten, eine „sachliche Diskussion zu führen“, heißt es im Antwortschreiben. Dazu gehöre auch, dass „es in Deutschland viele Menschen gibt, die über eine Behandlung beim Heilpraktiker Gutes berichten und sich für diesen Beruf einsetzen.“ Grundsätzlich beinhalte die Erteilung der Heilpraktikererlaubnis auch, dass sich Heilpraktiker der „Grenzen ihres Wissens und Könnens“ bewusst seien. Weitere Überprüfungen sowie die Überwachung seien Aufgabe der Länder. Ganz so leicht wird Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) aber nicht davonkommen.
Bereits im Juni hatte die Gesundheitsministerkonferenz der Länder den schwarzen Peter zurück nach Berlin gespielt. Vertreter waren sich darin einig, dass die Bundesregierung selbst bestehende Regelungen überarbeiten müsste. Jetzt heißt es dazu: „Die Bundesregierung hält den Vorschlag der Gesundheitsministerkonferenz für grundsätzlich geeignet, um den Patientenschutz im Bereich der Zulassung von Heilpraktikeranwärterinnen und -anwärtern zu verbessern, und prüft derzeit die Möglichkeit einer Umsetzung.“ Man habe „Verständnis für Stimmen, die eine grundlegende Reform des Heilpraktikerrechts einschließlich seiner Anpassung an die Qualitätsstandards anderer heilberuflicher Regelungen fordern“. Mit Verweis auf „laufende Prüfungen“ werden im Papier jedoch keine weiteren Details genannt. Gesundheitspolitiker nahezu aller Couleur halten höhere Hürden beim Zugang, aber auch Vereinheitlichungen bei der Ausbildung für denkbar. Wer die Heilpraktikerprüfung bereits absolviert hat, braucht nach jetzigem Diskussionsstand keine Einschränkungen zu fürchten.
Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, reicht das nicht aus. Auch er befürwortet Ideen aus Berlin: „Bundesweit einheitliche Standards für den Heilpraktikerberuf sind überfällig“, erklärt Brysch. „Das gilt nicht nur für die Zulassungsprüfung, sondern auch für die Ausbildung.“ Bund und Länder müssten einheitliche Ausbildungs- und Prüfungsordnungen schaffen. Nur so werde ein Mindestmaß an Qualitätssicherung auch bei Heilpraktikern möglich. Und nur so könne das Vertrauen der verunsicherten Patienten zurückgewonnen werden. Brysch geht mit seinen Forderungen aber deutlich weiter: „Sowohl für Heilpraktiker als auch für ihre Heilmittel darf nicht länger gelten: Alles ist erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist. Im Sinne des Patientenschutzes muss diese Regel umgekehrt werden: Verboten ist, was nicht erlaubt ist. Denn sonst kann kreative Therapie auch tödlich enden.“
Lösungsmöglichkeiten in diesem Sinne sind nichts Neues. In der Schweiz listet der Gesetzgeber mögliche Kompetenzen von Heilpraktikern auf und schließt manche Therapien explizit aus. Bleibt noch, Patienten besser zu informieren. Laut Auskunft der Bundesregierung erstattet die Mehrheit aller 117 gesetzlichen Krankenkassen Behandlungen beim Heilpraktiker gemäß Paragraph 11 Absatz 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Nur sind Heilpraktiker eben keine „Ärzte light“ für alternative Therapien, die freien Zugriff auf Rx-Präparate haben. „Bei 3-Bromopyruvat (3-BP) handelt es sich nach hiesiger Einschätzung um einen solchen Stoff“, schreibt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). „Damit dürfen entsprechende Arzneimittel (Fertigarzneimittel sowie Rezeptur- und Defekturarzneimittel) zur Anwendung beim Menschen nur bei Vorlage einer ärztlichen Verschreibung abgegeben werden.“ Jetzt ist es an der Zeit, geltendes Recht umzusetzen.