Schlafmangel bin ich gewohnt. 80-Stunden-Wochen, drei 24-Stunden-Dienste in einer Reihe, mit viel Glück zwei bis drei Stunden Schlaf am Stück in der Nacht. Nicht schlafen kann ich. Darauf bin ich vorbereitet. Denkste.
Ich hatte irgendwie vergessen, dass ich nach diesen Albtraumwochen und -wochenenden immerhin vier bis sechs Stunden am Stück schlafen durfte. Vielleicht auch mal acht Stunden. Zu der Zeit, zu der ich müde war. Wenn keiner was von mir wollte. Und mich auch keiner geweckt hat (meistens …). Keiner nach meiner Brust gesucht hat, die Windeln voll waren oder die Luft im Bauch nur mit kreisenden Bewegungen im Fliegergriff erträglich wurden.
Ich habe Schlafmangel. Die Diagnose ist schnell gestellt. Augenränder bis zum Mundwinkel, bleiches Gesicht, die Haare sind seit drei Tagen nicht gewaschen. Ich bin gereizt, die Klingel ist stumm geschaltet und der Anrufbeantworter läuft sich heiß. Irgendwie gibt es einfach gerade keine Pause. Phase eben, wie mir die anderen Mütter versichern.
Immerhin hat mein Baby keinen Schlafmangel. Das mit dem Schlafen funktioniert irgendwie klasse... im Tragetuch, auf dem Arm, auf dem Oberkörper, im Gehen. Nur eben nicht ohne mich, nur selten im Sitzen und im Liegen schon gleich gar nicht.
Kein Problem. Notreserven auspacken. Nach 18 Stunden Dauerlauf von einem Patienten zum nächsten, ohne Pause, rollt das Polytrauma an. Kein Problem. Ich kenn das doch. Mein Körper kann das schon verkraften. Leider habe ich bloß das liebe, gute Adrenalin vergessen. Hier gibt es gerade nur viel Oxytocin.
Heute habe ich die dreckige Wäsche in den Trockner gesteckt. Mit Waschmittel. Nach zwei Stunden ist es mir aufgefallen. Ein Glück hatte ich auch vergessen, auf Start zu drücken. Der Hausschlüssel liegt beim Bäcker und mein Geldbeutel ist ... wo ist eigentlich mein Geldbeutel?
Mir läuft es kalt den Rücken herunter. Ging es mir mit meinem Schlafmangel während der Arbeitszeit auch so? Habe ich vergessen, dem Patienten das Marcumar abzusetzen? Vergessen das niedermolekulare Heparin anzusetzen? Da war doch noch ein Patient mit einem echt niedrigen Kalium auf Normalstation... wie niedrig war das noch gleich? 2,4 mmol/l? Um 16 Uhr? Jetzt ist es ein Uhr nachts ... Und ja, die eindeutige Tibiakopffraktur bei dem jungen Patienten um 4 Uhr nachts habe ich übersehen. Meine Augen haben da schon geschlafen.
Immerhin habe ich mein Kind noch nirgends liegen lassen. Kommt wahrscheinlich noch.