Vom Masseneinsatz in der Tiermast bis zu sinnlosen Verordnungen in der Humanmedizin: Antibiotika sind in Verruf geraten. Jetzt zeigen Forscher, dass Azithromycin die Infektionsrate nach Kaiserschnitten halbiert: ein Argument für die gezielte Verordnung.
In Deutschland verringerte sich der Anteil aller Frauen, die per Kaiserschnitt entbinden, in 2015 um 0,7 Prozentpunkte auf 31,1 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt das Statistische Bundesamt (Destatis). Lediglich in Hamburg und in Sachsen-Anhalt geht der Trend mit plus 0,7 beziehungsweise plus 0,5 Prozentpunkten weiter nach oben. Im bundesweiten Vergleich steht das Saarland mit 38,5 Prozent an der Spitze. Die wenigsten Kaiserschnittentbindungen nahmen Ärzte mit 24,0 Prozent in Sachsen vor. Der Eingriff ist nach wie vor beliebt – trotz möglicher Gefahren: Deutlich mehr Frauen leiden nach einem Kaiserschnitt an Infektionen und müssen Antibiotika einnehmen.
Dazu zählen unter anderem bakterielle Infektionen mit Ureaplasma-Spezies. Patientinnen erhalten zwar zur Prophylaxe ein Cephalosporin der ersten Generation. Nur sind diese Wirkstoffe eben nicht gegen Ureaplasmen wirksam. Die Folge: Postoperativ erleiden fünf bis zehn Mal mehr Frauen Wundinfektionen als bei vaginalen Geburten. Alan T.N. Tita von der University of Alabama at Birmingham hat jetzt gezeigt, dass sich Azithromycin zur Vorbeugung deutlich besser eignet. An seiner Studie nahmen 14 US-amerikanische Kliniken teil. Eingeschlossen wurden 2.013 Frauen mit Einzelschwangerschaft, die sich einem nicht geplanten Kaiserschnitt unterzogen. Sie bekamen die übliche Cephalosporin-Dosis und randomisiert Azithromycin beziehungsweise Kochsalz. Tita definierte diverse Infektionen in den ersten sechs Wochen als primären Endpunkt. Entsprechende Ereignisse traten bei 119 Frauen (12,0 Prozent) versus 62 Frauen (6,1 Prozent) auf. Unter Azithromycin kam es seltener zu einer Endometritis (3,8 versus 6,1 Prozent) oder zu Wundinfektionen (2,4 versus 6,6 Prozent). Alle Unterschiede waren signifikant. Die Forscher fanden keine Nachteile für Mutter oder Kind.
Robert A. Weinstein und Kenneth M. Boyer, Chicago, betonen in einem Editorial den Wert von Azithromycin zur Infektionsprophylaxe. Gleichzeitig nehmen sie Titas Kohorte kritisch unter die Lupe. Er hat das Pharmakon bei Kaiserschnitten mit vergleichsweise hohem Risikoprofil eingesetzt. Ob der Effekt bei geplanten Eingriffen ähnlich hoch wäre, sei dahingestellt. Gleichzeitig dürfte so manche Frau die vorbeugende Gabe eines Makrolidantibiotikums ablehnen. Bleibt noch als Möglichkeit, Azithromycin gezielt bei nicht planbaren Kaiserschnitten zu verabreichen.