Übermäßig viele Arbeitsstunden pro Woche sollen sich negativ auf die Gesundheit auswirken, heißt es immer wieder. Doch was ist viel? In einer Studie wurde versucht, einen Richtwert zu finden. Der Versuch ist nett, doch die Studie weist deutliche Lücken auf.
Wann und wie gefährdet eigentlich eine hohe Wochenarbeitszeit unsere Gesundheit? Vor über 30 Jahren lag der Grenzwert bei 48 bis 56 Stunden pro Woche. Die Fünf-Tage-Woche mit 40 Stunden kam erst danach. Jetzt wird die 35-Stunden-Woche zur Zeit wieder verlängert oder mit regelmäßigen Überstunden überfrachtet.
Wie viele Stunden sollte man also maximal pro Woche arbeiten? Dr. Sadie Conway und ihr Team von der University of Texas, Houston, haben in einer Studie versucht, einen realistischen Grenzwert zu ermitteln und stützen sich dabei auf Daten der Panel Study of Income Dynamics (PSID), einer kontinuierlichen Längsschnittstudie in den USA, die 1968 begann und Daten von mehr als 18.000 Menschen dokumentiert. Bei Conways Publikation geht aber bereits aus dem Abstract hervor, dass es sich eher um eine retrospektive Daten-Leserei handelt.
Als Outcome-Parameter wurden ein selbst berichteter generell schlechter Gesundheitszustand (wer soll das bitteschön beurteilen können?), inzidente kardiovaskuläre Krankheiten und inzidente Krebskrankheiten ausgewählt:
„Repeated measures of work hours among approximately 2,000 participants from the Panel Study of Income Dynamics (1986–2011), conducted in the United States, were retrospectively analyzed to derive statistically optimized cutpoints of long work hours that best predicted three health outcomes...poor self-reported general health, incident cardiovascular disease, and incident cancer.“
Die Frage, wie es zu einem Grenzwert von 52 Wochenstunden und mehr kommen konnte, wohingegen der entscheidende Bereich von 35 bis 51 Wochenstunden undifferenziert als offensichtlich völlig unschädlich beurteilt wurde, ist nicht das einzige ungelöste Rätsel dieser Studie. Denn wer deutlich über 52 Wochenstunden arbeitet, hat womöglich gar keine Zeit mehr, für Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen diverse Ärzte zu konsultieren bzw. findet es viel zu zeitaufwändig, sich gesundheits-, ernährungsbewusst und krankheitspräventiv zu verhalten.
Zu Kriterien, ob bei Beobachtungen ein Kausalzusammenhang bestehen könnte oder nicht, hilft die Arbeit des britischen Epidemiologen Sir Austin Bradford Hill weiter, in der er auf das Verhältnis zwischen Zusammenhang und Kausalität hinsichtlich Umwelt und Erkrankungen eingeht. Bei der hier vorgestellten Publikation wurde allerdings die Chance verspielt, mittels differenzierter Wochenarbeitszeiten, detaillierter Stressfaktoren und professionsspezifischer Belastungen Einblick in krankmachende und/oder gesundheitserhaltende Arbeitsverhältnisse zu bekommen.