Mit einem Plot, der süchtig macht, schaffen es Soaps, dass man von einem Cliffhanger zum nächsten dran bleibt. Ein Konzept, das scheinbar ebenfalls Pharmafirmen zu überzeugen weiß – Schleichwerbung war gestern, willkommen intelligente Produktplatzierung.
Man kann jederzeit einsteigen und wenn man erst einmal angefangen hat, sitzt man täglich vor dem Fernseher. So funktionieren Soaps. General Hospital ist eine auch über die USA hinaus berühmte Serie, deren neuester Kniff allerdings jetzt ganz aktuelle Fragen aufwirft. Einer der Hauptcharaktere der Show wurde in einer März-Folge ins Krankenhaus eingeliefert. Die Diagnose: Polycythaemia vera.
Polycythaemia ist eine seltene Krankheit – die Inzidenz liegt bei circa 0,5 pro 100.000 Einwohner. Als Mediziner fragt man sich vielleicht: Warum ausgerechnet die Polycythaemia?
Vinay Prasad, ein Arzt aus Oregon, wurde auf die Serie aufmerksam und ging gemeinsam mit einem Kollegen genau dieser Frage nach. Ihr Ergebnis veröffentlichten die beiden unlängst im JAMA: „Amerikas älteste Seifenoper erwähnt Polycythaemia vera, weil ein Pharmaunternehmen es so wollte und dafür auch bezahlte“. Ein Skandal oder eher gängige Praxis?
Kampagnen für seltene Erkrankungen und das Fernsehen
Werbung und Produktplatzierungen in Fersehshows sind allgemein sowohl von Seiten der Industrie als auch von Seiten der Medien gesetzlich streng reguliert. Dennnoch gibt es immer wieder einmal Platzierungen, die unter dem Namen „Schleichwerbung“ an die Öffentlichkeit getragen werden.
Im Falle des General Hospitals jedoch spricht die verantwortliche Pharmafirma von einem Beitrag, um auf eine seltene Erkrankung aufmerksam zu machen, für Risiken zu sensibilisieren und dadurch die Aufklärung zu verbessern.
Wer profitiert wirklich?
Dem geneigten Fernsehkonsumenten, der vielleicht doch einmal über das Gesehene nachdenkt, wird auffallen, dass ein solches Engagement von Pharmafirmen in Fernsehserien die große Gefahr birgt, dass mehr Menschen, angeregt durch ihr Serien-Idol, sich für einen Test entscheiden. Mehr Tests bedeuten gleichzeitig auch möglicherweise mehr neuentdeckte Betroffene. Und damit steigt schließlich der Umsatz für das Medikament. Eine tolle Werbung für den Pharmapartner und im Zweifel eine ganze Reihe falschpositiver Zuschauer.
Produktwerbung ohne den Filter im Kopf
Allerdings hat Medikamentenwerbung in Seifenopern noch etwas hinterhältiges an sich. Denn während wir zwischen den Serienblöcken Werbung häufig bewusst meiden, indem wir auf die Toilette gehen oder noch einmal Verpflegung am Kühlschrank nachholen, kommt die Werbebotschaft, die hier in die Handlung verstrickt wird, ganz unterschwellig zu uns. Alle Abwehrmechanismen und das Gefühl der Ablehnung, das wir dem Werbeblock entgegen bringen würden, sind ausgeschaltet.
Doch sind versteckte Werbebotschaften in Fernsehserien und Medien nur ein US-amerikanisches Problem? Selbstverständlich nicht. Auch hierzulande gab es in der jüngeren Vergangenheit Fälle von Schleichwerbung oder Produktplatzierungen in Fernsehserien. Um bei den beliebten Seifenopern zu bleiben, so waren bei GZSZ beispielsweise 2015 schon das Buch „50 Shades of Grey“ (2015) oder vergangenes Jahr eine Sparkassen-Kampagne (2016) Teil der Handlung. Nicht immer ist das illegal, doch ein fahler Beigeschmack bleibt dennoch zurück.
Fernsehsendungen verändern sich mit dem Lauf der Zeit, sodass sich ähnliche Fälle wieder und wieder finden lassen. Ein Tatort aus den 1980er Jahren ist noch voll von rauchenden Kommissaren und Tatverdächtigen. Mit dem neuen Nichtraucher-Schutzgesetz wurde dies deutlich weniger. Heute raucht vielleicht bald der eine oder andere Fernsehermittler eine E-Zigarette, wer weiß. Die geschickteste Produktplatzierung ist noch immer die, die keinem bewusst auffällt, aber unterbewusst nachwirkt.
Die Macht der Bilder, die Ohnmacht des Journalisten
Daneben sind aber längst nicht nur die Fernsehmedien oder etwa der Rundfunk von solchen Kampagnen betroffen. Ähnliche Beispiele finden sich genauso in Print und Internet.
Seit geraumer Zeit arbeiten zahlreiche Pharmafirmen zudem mehr mit der Macht der bewegten Bilder. Pressetermine werden dabei schnell zur modernen Kinovorstellung. Denn wer kann besser einen Eindruck vom brandneuen Medikament vermitteln als ausgewählte Patienten, welche in emotional ergreifender Weise über ihr Schicksal berichten. Ein solcher „multimedialer“ Eindruck brennt sich tief in das Bewusstsein jedes noch so stoisch dreinschauenden Journalisten und wirkt sich unweigerlich und unbewusst auf die anschließende Berichterstattung aus.
Abgerundet wird das Angebot von Informationsfilmen für die Praxis, die insbesondere den Patienten einen Einblick in ihre Erkrankung und den Umgang damit näherbringen sollen. Kleingedruckt steht dann möglicherweise noch der Name der unterstützenden Pharmafirma dabei, sodass die positiven Erfahrungen aus dem Leitfaden auch gleich mit einem konkreten Namen verknüpft werden können.
Es geht um das Wie
Werbung und Produktplatzierungen begegnen uns tagtäglich in den Medien und auch in dem einen oder anderen Serienformat. Das Problem dabei ist nicht die Werbung per se, sondern vielmehr der Versuch, den Konsumenten unbedarft damit einzufangen, indem die tatsächliche Absicht hinter packenden Bildern und den Gesichtern der Stars verborgen bleibt.
Wer sich nicht nur berieseln lassen will und stattdessen reflektierend konsumiert, entlarvt aber auch diese Versuche schnell. Deshalb abschließend eine große Bitte an die Pharmalandschaft: Kämpft mit offenem Visier und nicht aus dem Hinterhalt. So häufig mittlerweile Werbeblöcke eingeschoben werden, kann man gar nicht auf die Toilette gehen. Die Werbung erreicht uns also sowieso. Jetzt auch noch Fernsehserien zu infiltrieren, muss doch nicht sein.
Quelle:
Pharmaceutical Marketing for Rare Diseases: Regulating Drug Company Promotion in an Era of Unprecedented Advertisement Sham Mailankody; JAMA, doi: 10.1001/jama.2017.5784; 2017