Die Zeit der Erkältungskrankheiten naht. Bislang gibt es keine Impfstoffe gegen die typischen Erreger. Jetzt berichten Forscher von Erfolgen im Kampf gegen Rhinoviren. Bleibt die Frage: Was bringen innovative Vakzine, wenn die Patienten ablehnen?
Erkältungskrankheiten gehören zu den lästigen Übeln eines jeden Winters. Sie lassen sich je nach Studie in 30 bis 80 Prozent aller Fälle auf Rhinoviren zurückführen. Deutlich seltener stecken Coronaviren (in etwa 15 Prozent der Fälle), Influenzaviren (in zehn bis 15 Prozent der Fälle), Adenoviren (in fünf Prozent der Fälee) oder andere Erreger hinter den Beschwerden. Es kommt zu lästigen Infektionen der Schleimhaut in unserer Nase, im Hals und in den Bronchien.
Nicht jede Erkältungssaison gleicht der anderen. Schwankungen führen zu deutlichen Unterschieden bei der Zahl an Fehltagen. Laut Angaben der DAK-Gesundheit hatten Husten, Schnupfen und Heiserkeit im ersten Halbjahr 2015 einen Anteil von 20,4 Prozent am gesamten Krankenstand. In 2016 waren es 17 Prozent. Nicht immer laufen Infektionen glimpflich ab. Laut Untersuchungen der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) stecken Rhinoviren hinter neun Prozent aller Hospitalisierungen aufgrund von Pneumonien. Influenzaviren (sechs Prozent) oder Streptokokken (fünf Prozent) folgen an zweiter und dritter Stelle. Umso größer ist das Interesse, Möglichkeiten der Therapie oder Prophylaxe zu entwickeln.
Modell eines Rhinovirus 16. Quelle: Wikipedia Bereits im Jahr 2009 gelang Ann C. Palmenberg von der University of Wisconsin, Madison, ein erster Durchbruch. Zusammen mit Kollegen sequenzierte sie 99 bekannte Rhinoviren. Das Genom ist mit rund 7.000 Basenpaaren eher klein. Es codiert für ein knappes Dutzend Proteine, um Epithelzellen der Schleimhäute zu infizieren. Palmenbergs Proben unterschieden sich in etwa 800 Mutationen von Isolaten, die ein Jahrzehnt früher eingefroren worden waren. Die Forscherin fand besonders große Variationen im 5’UTR-Abschnitt, dem untranslatierten Bereich am 5’-Ende.
Doch was passiert im menschlichen Organismus? Rhinoviren führen dazu, dass sich die Expression von fast 12.000 Genen ändert. Einige Erbgutabschnitte codieren für antivirale Substanzen. Dazu gehört das Protein Viperin (virus inhibitory protein, endoplasmic reticulum-associated, interferon-inducible). Es zeigt im Labor Effekte gegen etliche DNA- und RNA-Viren. In vitro stoppte Viperin die Vermehrung von Rhinoviren. Als Schnupfenmedikament würde sich das Eiweiß aber kaum eignen. Es besteht aus 361 Aminosäuren. Syntheseaufwand und Kosten stünden in keinem Verhältnis zur Grunderkrankung.
Bleibt noch der alte Wunsch, eine Vakzine zu entwickeln. Zuletzt berichten Martin Moore von durchschlagenden Ergebnissen. Er forscht an der Emory University School of Medicine in Atlanta. Moore schätzt, dass es mittlerweile 150 bis 170 serologische Typen von Rhinoviren gibt. Erfolgreiche Vakzine müssten die Bildung einer Vielzahl unterschiedlicher Antikörper induzieren, was heute durchaus denkbar ist. Erste zehnvalente Impfstoffe wurden erfolgreich an Mäusen getestet, gefolgt von einem 25-valenten Impfstoff. Experimente mit zwei Rhesusaffen bestätigten die Resulate. Sie erhielten einen 50-valenten Impfstoff aus Viren, die zuvor mit wässriger Formaldehydlösung inaktiviert worden waren. Damit erzielten Forscher neutralisierende Antikörper gegen 82 beziehungsweise 90 Prozent aller Rhinoviren. Nach einer Auffrischung stieg dieser Wert auf 98 Prozent. Moore plant weitere Tests mit einem 83-valenten Impfstoff gegen alle Rhinoviren des Typs A. Auf dieser Basis könnten klinische Studien folgen. Einen Zeitplan gibt es noch nicht.
Selbst wenn die Entwicklung eines Impstoffs in naher Zukunft glücken sollte, bleibt die zentrale Frage: Was bringt der beste Impfstoff, wenn Patienten ihn ablehnen? Bestes Beispiel für ein solches Szenario ist die saisonale Influenza. Hier sinkt die Bereitschaft seit Jahren kontinuierlich: Bundesweite Impfquote für eine Influenza-Impfung bei Personen im Alter von mindestens 60 Jahren. Quelle: RKI / Epidemiologisches Bulletin Nr. 1-2016 Ältere, chronisch Kranke und Schwangere haben ein hohes Risiko, dass Influenza-Infektionen mit schweren Komplikationen einhergehen. In der Saison 2014/2015 verstarben 21.300 Menschen an den Folgen der echten Grippe. Es handelt sich laut Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) um den höchsten Wert seit 1995/1996. Trotz diverser Aufklärungskampagnen lehnen viele Risikopatienten die kleine Spritze ab. Rhinoviren stehen bei älteren, multimorbiden Patienten ebenfalls mit schweren Erkrankungen in Verbindung. Tödliche Verläufe sind möglich, wenn auch selten. Welchen Vorteil bringt ein Impfstoff, den Patienten ablehnen?