Diese Krankenkasse wird von Jahr zu Jahr seltsamer. Zur Zeit scheint ihr größtes Ziel zu sein, Rezepte mit der Sondernummer „Akutversorgung“ herauszufischen und abzulehnen: Es hagelt Retaxationen für uns. Warum so chronisch misstrauisch, werte BARMER?
Mit der BARMER hat die Apothekerschaft gerade ihre liebe Not. Warum? Weil sie offenbar chronisch misstrauisch ist. Wenn ein Wirkstoff verordnet wird, zu dem es einen Rabattvertrag gibt, dann ist die Apotheke gehalten, diesen zu erfüllen – es sei denn es spricht ein triftiger Grund dagegen. Ein solcher Grund wäre beispielsweise, wenn Eile geboten ist. Ein Beispiel: Ein Mann kommt nach 12 Uhr in eine Dorfapotheke (wo ab 13 Uhr bis zum nächsten Tag geschlossen ist) und hat ein Rezept über ein Antibiotikum vom Zahnarzt dabei (weil beispielsweise die Weißheitszähne gezogen oder eine Wurzelbehandlung gemacht wurde). Die rabattierten Arzneimittel sind alle drei nicht vorrätig, und eine Bestellung wäre nicht sinnvoll, weil der Großhandel erst am Folgetag ausliefert.
Es hagelt Retaxen
In diesem Fall könnte der Apotheker eine Sondernummer auf das Rezept drucken, und es damit (plus eventuell einer schriftlichen Erklärung auf dem Rezeptformular) als „Notfall“ kennzeichnen. Die Kasse müsste das akzeptieren. Tut sie aber leider nicht immer. Zur Zeit hagelt es Retaxen, wenn der abgebende Pharmazeut beim Austausch keines der drei preisgünstigsten Medikamente abgegeben hat, die auf dem Markt verfügbar sind. Das ist aber – wie auch die Abgabe eines Rabattarzneimittels – nicht immer möglich. Zwei Sondernummern können wir aber rein technisch gesehen nicht auf dem Rezept aufdrucken. Die BARMER, beziehungsweise das von der BARMER mit der Retaxfindung beauftragte Unternehmen, fischt nun offenbar gezielt Rezepte mit der Sondernummer „Akutversorgung“ heraus und zieht den Betrag dafür ein. Sprich: die Apotheke, die dem Versicherten im Notfall geholfen hat, erhält – nichts. Zumindest so lange nicht, wie sie nicht zweifelsfrei BEWEISEN kann, dass der Versicherte nicht noch zur nächsten Apotheke hätte fahren können, die das Rabattarzneimittel eventuell dagehabt hätte. Wenn die BARMER wenigstens so fair wäre, nur den „überzahlten“ Differenzbetrag einzubehalten wäre die Entrüstung vielleicht nicht ganz so groß wie im Moment, aber angeblich übersteigt das ja ihre technischen Möglichkeiten.
Was verlangt diese Versicherung eigentlich nicht?
Aber mal ehrlich, diese Krankenkasse wird ohnehin von Jahr zu Jahr seltsamer: Um z.B. Stechhilfen für Diabetiker, die bei der BARMER versichert sind, abgeben zu dürfen, müssen wir uns unter anderem verpflichten – uns regelmäßig fortzubilden – das dann personenbezogen zu dokumentieren – auf Verlangen der BARMER dies vorzuzeigen – die deutsche Sprache in Wort und Schrift zu beherrschen – keine Scientologen zu sein. Das ist wirklich kein Scherz. Ich frage mich, ob die BARMER diese Maßstäbe auch an ihre Versicherten anlegt. Ob ein Mensch mit Migrationshintergrund, der deutsch vielleicht kaum spricht, geschweige denn schreiben kann, dort dann versichert sein darf? Ob sie Personen, die die „‚Technologie von L. Ron Hubbard‘ anwenden, lehren oder in sonstiger Weise verbreiten“ (wie es wörtlich im Vertrag heißt), einfach dort rausschmeißen? Ich meine, es liegt mir wirklich fern, mich mit Scientologen in eine Reihe zu stellen, aber sind das nicht Dinge, die einen nur persönlich betreffen? Die eine Krankenkasse eigentlich gar nicht zu interessieren haben?
Abschließend bleibt ein seltsamer Beigeschmack bei der ganzen Geschichte, und der ein oder andere Apotheker wird sich in Zukunft vielleicht überlegen, seinen Kunden mit Magenschmerzen (Omeprazol Rezepte wurden im Zusammenhang mit der Sondernummer aktuell am häufigsten retaxiert) entweder auf den nächsten Tag zu vertrösten oder einfach wieder weg zu schicken, wenn er das gewünschte Präparat nicht führt. Zumindest wenn der Kunde bei der BARMER versichert ist…