Ich stehe vor der wuchtigen zwei-flügeligen Tür des Gerichtssaals. Portal würde es besser treffen. Warum sind Gerichte immer so imposant? So still und ehrwürdig.
Ich schwitze in meiner Robe. So eine Robe hat aber auch Vorteile; man wird ernst genommen. Rede ich mir zumindest ein. Nachteil: Man wird gleich erkannt. Als Rechtsanwalt im besten Fall. Als Rechtsverdreher im schlechtesten Fall.
Wir sehen aus wie vor 100 Jahren
Da stehe ich nun. Warte auf den Aufruf der Sache, halte meine Akte und meinen Aktenkoffer in der Hand. Gott, wie spießig, denke ich. Aber was solls, es ist eben praktisch. Und bis wir im Rechtswesen umgestellt haben auf die elektronische Akte, sehen wir Paragraphenreiter eben aus, wie wir vor hundert Jahren schon ausgesehen haben, mit Akte und Robe.
Ich warte auf den Chefarzt. Ich habe ihn vorher gegoogelt. Macht sich besser, wenn man nicht jeden im Gericht fragen muss, ob er denn der Herr Prof. Dr. CA erschieß-mich-nicht ist.
XY gegen YX
Der CA kommt auf mich zu. Er wirkt auch ein bisschen aufgeregt. Wie das ganze hier ablaufe, fragt er mich. Wann er denn was sagen soll und wer denn alles komme. Ich erkläre ihm alles, soweit das im Flüsterton geht (in den großen Hallen der Gerichte ist es hellhörig und man weiß ja nie, wo der „Gegner“ sitzt).
Nun werden wir aufgerufen. XY gegen YX, bitte eintreten. Es wird sich höflich begrüßt (auch die gegnerische Seite), es herrscht angespanntes Schweigen.
Der Richter eröffnet die Verhandlung und führt in den Sachstand ein. Die Schöffen sitzen da und manchmal, wenn man Glück hat, vermutet man sogar, dass sie etwas mehr vom dem medizinischen Sachverhalten verstehen, als der Durchschnitss-Nicht-Mediziner. Im Übrigen sind alle Anwesenden Nicht-Mediziner. Bis auf mein CA.
Dann geht die Diskutiererei los. Erstaunlich eindeutig positioniert sich der Richter. Ich bekräftige nochmal unsere Position, bitte den CA, die medizinische Sicht für uns zu erklären. Eindrucksvoll schildert er, was man heute alles so tolles in der Medizin machen kann, warum gerade in diesem Fall so entschieden und behandelt und warum das auch noch richtig abgerechnet wurde. Das Urteil ergeht schnell, nachdem wir das Vergleichsangebot abgelehnt haben.
Ein Urteil mit positiven Folgen
Gewonnen. Vier Jahre nach der eigentlichen Behandlung bekommt der Leistungserbringer nun endlich sein Geld. Ist nicht so spektakulär und dramatisch wie im Fernsehen.
Aber wir arbeiten dafür, dass diese Fälle, die nicht eindeutig sind, auch entlohnt werden. Dass diese tausenden Fälle nicht unter den Tisch fallen, sondern vergütet werden. Und das machen wir ganz genügsam und still im Hintergrund.